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EuGH entscheidet über Regeln für das Wiederbefüllen von Produkten anderer Hersteller


Wenn Unternehmen Verpackungen anderer Hersteller nutzen, um ihre eigenen Produkte darin anzubieten, müssen sie darauf achten, dass Verbrauchern nicht der Eindruck entsteht, dass zwischen ihnen und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht, so der EuGH.

In seinem gestern ergangenen Urteil stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) klar, dass die Gefahr einer solchen Verwechslung anhand der Angaben auf der Ware und auf ihrer Neuetikettierung sowie anhand der Vertriebspraktiken des betreffenden Wirtschaftszweigs und des Bekanntheitsgrades dieser Praktiken bei den Verbrauchern beurteilt werden müssen.

Nach Ansicht von Experten kann das Urteil insbesondere für Unternehmen aus der Kreislaufwirtschaft wichtig sein. Es bezieht sich auf einen Fall, der dem EuGH von einem finnischen Gericht vorgelegt wurde: Die Unternehmen hinter der Marke Sodastream hatten Einspruch gegen das Wiederbefüllen ihrer Flaschen durch das konkurrierende Unternehmen Mysoda erhoben.

Désirée Fields

Legal Director

Das Urteil bietet Hilfestellung in einem sehr komplexen Themengebiet, bei dem es um die heikle Abwägung der Rechte von Markeninhabern und Wiederverkäufern geht.

Sowohl Sodastream als auch Mysoda verkaufen Geräte zur Herstellung von kohlensäurehaltigen Getränken. Die Sodastream-Produkte werden mit einer wiederbefüllbaren Kohlensäureflasche aus Aluminium geliefert, in die die Markenzeichen von Sodastream eingraviert sind. Die Sodastream-Flaschen können in den Geräten von Mysoda verwendet werden. Mysoda nimmt gebrauchte Sodastream-Flaschen entgegen, füllt sie mit Kohlensäure auf und etikettiert sie neu, bevor sie in Finnland weiterverkauft werden. Obwohl die neu verpackten Flaschen das Etikett von Mysoda tragen, bleiben die eingravierten Sodastream-Marken auf dem Produkt sichtbar.

„Das Urteil bietet Hilfestellung in einem sehr komplexen Themengebiet, bei dem es um die heikle Abwägung der Rechte von Markeninhabern und Wiederverkäufern geht“, so Désirée Fields, Markenrechtsexpertin bei Pinsent Masons. „Im Wesentlichen wird in jedem Fall eine sorgfältige Analyse des Sachverhalts unter Berücksichtigung der einschlägigen Vertriebspraktiken der betreffenden Branche erforderlich sein, um festzustellen, ob ein Markeninhaber den weiteren Vertrieb seiner umetikettierten Waren verhindern kann. Der wichtigste Punkt bei der Entscheidung, ob ein Widerspruchsrecht besteht, ist die Wahrnehmung der betroffenen Verbraucher zu beurteilen: Eine Umetikettierung darf bei den Verbrauchern nicht den falschen Eindruck erwecken, dass eine wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Wiederverkäufer und dem Markeninhaber besteht."

In seiner Urteilsbegründung wies der EuGH darauf hin, dass „durch den Verkauf einer wiederbefüllbaren Gasflasche durch den Inhaber der auf ihr angebrachten Marken die Rechte, die der Markeninhaber aus der Eintragung dieser Marken ableitet, erschöpft werden.“  Sein Recht, frei über die Flasche zu verfügen, gehe auf den Käufer über. Dazu zähle auch das Recht, die Flasche „bei einem Unternehmen seiner Wahl zu tauschen oder wiederbefüllen zu lassen“. Das bedeute auch, dass Wettbewerber grundsätzlich berechtigt seien, leere Flaschen des Markeninhabers wiederzubefüllen und auszutauschen.

Zugleich betonte der EuGH aber auch, dass sich der Markeninhaber dem weiteren Vertrieb seiner Ware durch einen Wiederverkäufer im Einzelfall widersetzen dürfen, wenn hierbei dem Verbraucher der „irrige Eindruck“ entstehe, dass zwischen Markeninhaber und Wiederverkäufer eine wirtschaftliche Verbindung besteht. Dies gelte insbesondere, wenn der Wiederverkäufer das Etikett mit der ursprünglichen Marke entfernt und auf dieser Ware sein eigenes Etikett anbringt und hierbei eine auf der Ware eingravierte ursprüngliche Marke sichtbar bleibt – wie bei den recycelten Sodastream-Flaschen der Fall.

Um zu beurteilen, ob einem „normal informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher“ solch ein irriger Eindruck entsteht, müssen dem EuGH zufolge die „die Tätigkeit des Wiederverkäufers betreffenden Umstände“ berücksichtigt werden. Dazu zählen die Art und Weise, wie die Flaschen mit dem Neuetikett den Verbrauchern präsentiert werden, sowie die Verkaufsbedingungen und vor allem die in dem betreffenden Wirtschaftszweig vorherrschenden Praktiken. Von wesentlicher Bedeutung sei der Gesamteindruck, der bei den Käufern entsteht.

Berücksichtigt werden müsse auch, ob „die Verbraucher daran gewöhnt sind, dass die Flaschen von anderen Wirtschaftsteilnehmern als dem Inhaber der ursprünglichen Marke wiederbefüllt werden.“

Konkret auf den Fall von MySoda bezogen, erklärte der EuGH, dass sich vermuten lässt, „dass ein Verbraucher, der sich unmittelbar an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer als den Inhaber der ursprünglichen Marke wendet, um eine leere Flasche wiederbefüllen zu lassen oder sie gegen eine wiederbefüllte Flasche einzutauschen, leichter in der Lage sein wird, zu erkennen, dass zwischen diesem Wirtschaftsteilnehmer und dem Markeninhaber keine Verbindung besteht.“

Zugleich erklärt der EuGH aber auch, dass bei dem Verbraucher in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mysoda und Sodastream die Gefahr einer Verwechslung auftreten könne, da der Verbraucher keinen unmittelbaren Kontakt zum Wiederverkäufer hat. Denn weder Sodastream noch Mysoda bieten ihre Flaschen den Verbrauchern direkt an – beide Produkte sind nur in den Geschäften der Händler erhältlich.

Zu beurteilen, ob im konkreten Fall eine Verwechslungsgefahr besteht, obliege letztlich jedoch dem finnischen Gericht, das den Fall dem EuGH vorgelegt hatte. Es könne sich in seiner Entscheidung aber auf die Hinweise des EuGH stützen. „Markenrechtsverletzungen werden auf nationaler Ebene beurteilt, und die betreffenden sektorspezifischen Praktiken können sich durchaus von Land zu Land unterscheiden“, so Emily Swithenbank, ebenfalls Expertin für Markenrecht bei Pinsent Masons. „Daher können Nachfüller und Umpacker nicht davon ausgehen, dass eine Kennzeichnung, die in einem Land nicht den Eindruck einer wirtschaftlichen Verbindung erweckt, in einem anderen Land genauso beurteilt wird, da die Praktiken und das Bewusstsein der Verbraucher für diese Praktiken wahrscheinlich unterschiedlich sind. Die Umetikettierung muss für jedes Land einzeln geprüft werden.“

Der EuGH bezog sich in seiner Entscheidung unter anderem auf sein Urteil im Fall Viking Gas aus dem Jahr 2011, in dem es um das Wiederbefüllen von Gasflaschen ging. Der EuGH erklärte, dass dieses und andere Urteile dem Sodastream-Fall näher stünden als das Bristol-Myers-Squibb-Urteil aus dem Jahr 1996, auf das sich das finnische Gericht in seinen Vorlagefragen bezog. Im Bristol-Myers-Squibb-Urteil geht es um Parallelimporte umgepackter Arzneimittel.

Generalanwalt Giovanni Pitruzzelli hatte dem EuGH in seinen Schlussanträgen nahegelegt, dass die im Bristol-Myers-Squibb-Fall festgelegten Kriterien für das Umverpacken von Arzneimitteln auch auf den vorliegenden Fall von Sodastream angewendet werden sollten.

„Es ist bemerkenswert, dass der EuGH es abgelehnt hat, die ausdrückliche Frage des vorlegenden Gerichts zu beantworten, ob die sogenannten BMS-Kriterien im Zusammenhang mit diesem Fall gelten“, fügt Swithenbank hinzu.  Die BMS-Kriterien seien strenger als der vom EuGH angewandte Test der „wirtschaftlichen Verbindung“ und verlangen von den Umpackern, dass sie die Notwendigkeit des Umpackens nachweisen und die Markeninhaber vorab über ihre Aktivitäten informieren.  „Wiederbefüller von Gasflaschen in der EU haben nun eine gewisse Sicherheit, dass sie diese Anforderungen nicht erfüllen müssen.“

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