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Gebäude- und Verkehrssektor verfehlen ihre Klimaziele


Der Gebäude- und der Verkehrssektor haben Hochrechnungen zufolge 2021 mehr Treibhausgas ausgestoßen, als sie laut Bundes-Klimaschutzgesetz dürfen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat Sofortmaßnahmen angekündigt.

Rund 762 Millionen Tonnen Treibhausgase wurden 2021 in Deutschland freigesetzt, das sind 4,5 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Dies gaben das Umweltbundesamt (UBA) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bekannt; sie verweisen jedoch darauf, dass die Zahlen noch vorläufig sind.

Die vollständigen, offiziellen und detaillierten Werte zu den Treibhausgasemissionen in Deutschland für das Jahr 2021 veröffentlicht das UBA im Januar 2023 mit der Übermittlung an die Europäische Kommission. Sollten sich die endgültigen Werte mit den Hochrechnungen decken, hätte Deutschland sich von seinem Klimaziel entfernt. Das sah vor, den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zum Ausstoß im Jahr 1990 zu reduzieren. Tatsächlich waren die Emissionen 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie auch so weit gesunken, dass Deutschland dieses Ziel erreichte. Der Erfolg hielt jedoch nicht lange an: 2021 lag der Treibhausgasausstoß lediglich 38,7 Prozent unter dem von 1990.

Die Daten des UBA schlüsseln auf, welche Sektoren wie stark zum Treibhausgasausstoß beigetragen haben. Im Verkehrssektor lagen die Emissionen im letzten Jahr drei Millionen Tonnen über der im Bundes-Klimaschutzgesetz für diesen Sektor festgelegten Jahresemissionsmenge. Insgesamt wurden 2021 im Verkehr rund 148 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen. Eine Ursache hierfür liege laut BMWK und UBA im gestiegenen Straßengüterverkehr. Der PKW-Verkehr hingegen sei noch immer niedriger als vor der COVID-19-Pandemie.

Auch der Gebäudesektor verfehlte den Hochrechnungen zufolge das für ihn gesetzte Klimaziel: Zwar konnte der Treibhausgasausstoß von Gebäuden im Jahr 2021 um 3,3 Prozent auf rund 115 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesenkt werden. Dennoch überschritt der Sektor die erlaubte Jahresemissionsmenge, die bei 113 Millionen Tonnen liegt. Zudem ermittelt das UBA den Treibhausgasausstoß im Gebäude-Sektor unter anderem anhand dessen, wie viel Heizöl in dem fraglichen Jahr gekauft wurde. Die Heizöllager wurden laut UBA und BMWK jedoch bereits 2019 und 2020 auf Vorrat gefüllt, da die Preise zu diesem Zeitpunkt besonders niedrig waren und ein Preisanstieg ab 2021 auf Grund des neuen Brennstoffemissionshandelsgesetzes absehbar war.

In der Industrie stiegen die Emissionen gegenüber dem Vorjahr um 5,5 Prozent. Mit rund 181 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten erreichten sie somit fast wieder ihr Niveau von 2019, lagen aber noch knapp unter der im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Jahresemissionsmenge von 182 Millionen Tonnen. UBA und BMWK führen diese Entwicklung vor allem auf Aufholeffekte nach der COVID-19-Pandemie und einen vermehrten Einsatz fossiler Brennstoffe zurück.

Einen besonders hohen Anstieg an Emissionen verzeichnet der Energie-Sektor, mit einem Plus von 27 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Eine Jahresemissionsmenge für 2021 gibt es im Bundes-Klimaschutzgesetz für den Energiesektor allerdings nicht. Dennoch fallen die steigenden Emissionen gerade in diesem Sektor Experten zufolge besonders ins Gewicht. BMWK und UBA erklären die gestiegenen Emissionen damit, dass verstärkt Kohle zur Stromerzeugung genutzt wurde, um die gestiegene Stromnachfrage zu bewältigen und eine geringere Versorgung mit Strom aus Windenergie auszugleichen. Letztere war wegen schlechter Windverhältnisse in 2021 um sieben Prozent gesunken. „Dies war leider auch angesichts des schleppenden Ausbaus von Windenergie an Land wie auch auf See zu erwarten“, so Alice Boldis, Expertin für Anlagenbau im Energiesektor bei Pinsent Masons. „Umso wichtiger wird es sein, hier nun ohne zusätzliche bürokratische Hürden und schnell den Ausbau voranzutreiben.“  Schließlich habe auch der gestiegene Gaspreis ein Ausweichen auf Kohleverstromung gefördert.

„Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 2020 ist fast zur Hälfte schon wieder verloren“, fast Dirk Messner, Präsident des UBA, die Lage zusammen. „Unsere Zahlen zeigen deutlich, dass die Ziele der Bundesregierung schnellstens angegangen werden müssen.“ Um die ambitionierten Klimaschutzziele der Bundesregierung bis 2030, ein Minus der Emissionen im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent, noch zu erreichen, müssen nun pro Jahr sechs Prozent an Emissionen gemindert werden.

Das BMWK kündigte ein „umfangreiches Sofortprogramm“ an und legte gestern einen Referentenentwurf (65 Seiten/800 KB) mit ersten Maßnahmen vor, der unter anderem eine Reihe von Netzausbau-Maßnahmen sowie beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren vorsieht. Zudem soll „das übergeordnete Ziel der Treibhausgasneutralität“ im ersten Paragrafen des Energiewirtschaftsgesetzes „als Ziel für die leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff“ festgeschrieben werden. Stellungnahmen zu diesem Entwurf können bis einschließlich 22. März eingereicht werden.

Unabhängig davon werden die Emissionsdaten aber auch, wie im Bundes-Klimaschutzgesetz vorgesehen, vom Expertenrat für Klimafragen evaluiert. Innerhalb eines Monats wird er eine Bewertung der Daten vorlegen. Anschließend haben die jeweils zuständigen Ministerien drei Monate Zeit, um Vorschläge im Gebäude- und Verkehrssektor zu erarbeiten, wie der Zielpfad zur Reduktion von 65 Prozent der Treibhausgase im Vergleich zu 1990 erreicht werden kann.

„Die schnellere Abkehr von fossilen Energien muss alle Bereiche umfassen“, so Klima-Staatssekretär Patrick Graichen. „Von der Industrieproduktion über den Gebäudebereich bis hin zur Mobilität und der Landwirtschaft. Entscheidend ist dabei, die soziale Balance zu wahren.

Experten gehen davon aus, dass dies auch angesichts der dringender werdenden Frage nach fossiler Energieunabhängigkeit vor dem Hintergrund des Angriffskriegs auf die Ukraine eine große Herausforderung darstellen wird.

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