Out-Law News Lesedauer: 3 Min.
24 Feb 2020, 1:28 pm
Die Bundesregierung will Mietern den Rechtsanspruch auf eine Ladesäule für Elektroautos einräumen, sofern zur Wohnung auch ein Pkw-Stellplatz gehört.
Der Vorschlag ist Teil der Bemühungen der Regierung zur Förderung der E-Mobilität.
Ein kürzlich veröffentlichter Entwurf des Bundesjustizministeriums zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) und des Mietrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sichert jedem Mieter das Recht auf eine eigene Ladestation im Haus zu, wenn mit der Wohnung ein Pkw-Stellplatz vermietet wird. Somit würden Vermieter in die Pflicht genommen, eine entsprechende Station auf Wunsch des Mieters nachzurüsten. Bei Eigentümergemeinschaften hätten die anderen Eigentümer keine Möglichkeit, solche Installationen zu verhindern.
Immobilien- und Umweltexperte Dr. Thomas Wölfl von Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law: „Die Gesetzesinitiative dürfte nur vordergründig die E-Mobilität voranbringen. Wieder bedient sich Berlin des aus dem Konflikt um die Verfügbarkeit von Betreuungsplätzen für den Nachwuchs bekannten Mechanismus: Ein Rechtsanspruch wird eingeführt, den aber nicht der Bund, sondern Dritte bedienen müssen. Wer kann, sollte schon jetzt seinen Anschluss beantragen. Denn weder die vorhandenen noch die ausbaubezogenen Kapazitäten im deutschen Stromnetz werden reichen, um alle Anspruchsteller zu bedienen.“
Geht es ums Thema E-Mobilität, so gilt Deutschland vor allem beim Ausbau des Ladenetzes im europäischen Vergleich als Nachzügler, berichtete das Handelsblatt. Weil die passende Infrastruktur fehle, kauften die Deutschen nur selten Elektroautos. Unternehmen hingegen scheuten sich vor Investitionen in die Lade-Infrastruktur, da es zu wenig E-Autofahrer gäbe. Laut Verband der Deutschen Automobilindustrie waren am 1. Januar 2019 insgesamt 83.175 Elektro-Pkw in Deutschland zugelassen. Der Referentenentwurf für die Gesetzesreform solle die Elektromobilität fördern und den Einbau von Ladestationen in Wohnungseigentumsanlagen vereinfachen, so das Justizministerium.
Energie-Experte Dr. Torsten Wielsch von Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law: „Der Gesetzgeber schwenkt einmal mehr das Banner der E-Mobilität, ohne dafür Sorge zu tragen, dass hier wirkliche Fortschritte zu verzeichnen wären. Angesichts der technischen Realitäten steht zu befürchten, dass wirkliche Verbesserungen in absehbarer Zeit gar nicht durchsetzbar sind und es daher bei gesetzgeberischen 'Lippenbekenntnissen' bleibt.“
Bislang muss die Eigentümerversammlung einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit fassen, um energetische und andere Modernisierungen vornehmen zu können. Dementsprechend war es in der Vergangenheit möglich, dass Modernisierungsmaßnahmen durch einzelne Eigentümer blockiert werden konnten. Laut neuem Gesetzesentwurf soll dies einfacher werden: die einfache Mehrheit würde ausreichen. Will ein Eigentümer eine Ladestation einbauen, so hat auch er zukünftig einen Anspruch auf Zustimmung.
„Damit die Wende zur E-Mobilität gelingt, brauchen wir eine flächendeckende und zuverlässige Ladeinfrastruktur“, so Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. Der vorgelegte Entwurf solle das seit 1951 in weiten Teilen unveränderte WEG an moderne Bedürfnisse anpassen. Das Recht auf die eigene Ladestation ist nur einer von vielen Bausteinen des Papiers. Kabinett und Bundestag müssen den Plänen noch zustimmen.
Der Gesetzesentwurf berücksichtigt jedoch nicht konsequent, wie mit Folgekosten für die Eigentümergemeinschaft umzugehen sein wird. Dr. Wölfl: „Realität und Anspruch des Gesetzgebers ragen weit auseinander. Konflikte innerhalb von Eigentümergemeinschaften und bei der Quartiersentwicklung dürften vorgezeichnet sein. Dies zieht sich hinein bis in die bisherigen Regelungen zur energetischen Sanierung: Auch wenn es zeitgemäß sein dürfte, dass Beschlüsse leichter möglich werden, stellt sich die Frage, ab wann unwillige Eigentümer rechtlichen Schutz genießen müssen. Die ohnehin zu geringe Neubaurate im Wohnungssektor wird zudem belastet: Herstellungskosten werden steigen und die Stellplatzmieten auch. Ein kaum richtiger Anreiz in Zeiten der Mietpreispanik und irrlichternden Enteignungsdiskussionen über Wohnungsunternehmen in der Hauptstadt und andernorts.“
Der Einbau einer Ladestation ist nicht nur mit Kosten verbunden, auch muss der Stromversorger mitwirken. Zudem könnten alte Verteileranlagen beim Einbau mehrerer Stationen an ihre Grenze geraten, sodass sich dann unter Umständen alle Wohnungseigentümer an den Kosten einer Sanierung der Stromleitungen beteiligen müssten, so Die Welt. Und auch die Energie-Branche stünde vor neuen Herausforderungen. Dr. Wielsch: „Bedenkt man, was die gegenwärtige deutsche Netzinfrastruktur leisten kann, so spricht einiges dafür, dass es dem Gesetzgeber eher darum ging, „ein Zeichen zu setzen“, als der E-Mobilität tatsächlich zum Durchbruch zu verhelfen.
Die Netzbetreiber haben bereits zuvor in der Praxis auf mangelnde Kapazitäten verwiesen. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass die vorhandene Netzkapazität auf die installierten Ladesäulen aufgeteilt wird.“ Je mehr Ladesäulen vorhanden seien, umso geringer würde die vom Netz für jede Ladesäule bereitgestellte Leistung. Das hieße: Wenn viele oder gar alle ihren gesetzlichen Anspruch geltend machten, wäre selbst die leistungsfähigste Schnellladesäule nicht viel mehr von Nutzen als eine Haushaltseckdose, so Dr. Wielsch: „Kurz gesagt: der vom Gesetzgeber eingeräumte Anspruch erweist sich in der Praxis als wertlos. Die Lösung für das Dilemma liegt in einem erheblichen Netzausbau. Dieser dürfte, da die Kosten hierfür den ohnehin schon erheblichen Strompreis in Deutschland weiter erhöhen, politisch weder durchsetzbar noch gewollt sein.“