Die COVID-19-Pandemie hat zahlreiche Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gestürzt. Nach der krisenbedingten M&A-Flaute der letzten Monate, die viele Industrien erreicht hat, dürfte dies wieder zu einem Anstieg von Unternehmenskäufen und Übernahmen führen.

Internationale Investoren, etwa aus China, dessen Wirtschaft laut Zahlen des Pekinger Statistikamts wieder Vorkrisenniveau erreicht hat, interessieren sich bereits für in Schwierigkeiten befindliche deutsche Technologie- und Industrieunternehmen. Beim Kauf von Unternehmen in der Krise müssen allerdings bestimmte Risiken bedacht und minimiert werden.

Nachdem die Bundesregierung bereits im März die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die aufgrund der Corona-Krise in wirtschaftliche Schieflage geraten sind, ausgesetzt hatte, ging die Zahl der Insolvenzen in Deutschland deutlich zurück – trotz Wirtschaftskrise. Seit 1. Oktober gilt allerdings wieder die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit, was für die Mehrheit der Unternehmen wieder das normale Insolvenzrecht bedeutet.

Die Deutsche Bundesbank rechnet für das erste Quartal 2021 mit einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um 35 Prozent auf insgesamt 6.000 Insolvenzen. Diese Entwicklung dürfte nicht nur in den direkt von der Krise betroffenen Branchen, wie Tourismus und Gastgewerbe, zu zahlreichen Transaktionen im kommenden Jahr führen, sondern auch Bewegung in den M&A-Markt in den Investitionsgüterindustrien bringen, wie etwa Maschinen- und Anlagenbau und die Automobilindustrie.

Struktur, Timing und übertragende Sanierung

Der Erwerb von Unternehmen in der Krise ist nicht nur für den Käufer eine Gelegenheit, die eigene Marktstärke zu günstigen Konditionen auszubauen, in neue Märkte vorzudringen oder Technologien und Know-how zu erwerben, sondern kann auch für das betreffende Krisenunternehmen eine Chance sein, Betrieb und Arbeitsplätze zu sichern und neue Perspektiven abseits des Insolvenzverfahrens zu eröffnen.

Den Erwerb von Unternehmen oder Teilen von Unternehmen, die auf eine Insolvenz zusteuern oder sich bereits in einem Insolvenzverfahren befinden, bezeichnet man mit dem Begriff „Distressed-M&A“. Neben der Attraktivität und den Vorteilen des Erwerbs eines Unternehmens in der Krise gibt es, wie auch bei herkömmlichen M&A-Transaktionen, bestimmte Risiken und Herausforderungen, die im Kaufprozess zu berücksichtigen sind. Hier können Sicherungsmechanismen dazu beitragen, dass der Erwerb zu einem Erfolg wird.

Kommt ein Erwerb eines wirtschaftlich kriselnden Unternehmens in Betracht, sind im Vorfeld bestimmte grundlegende Entscheidungen zu treffen.

Einerseits kann der Kauf als sogenannter Share-Deal oder als Asset-Deal vollzogen werden. Beim Share-Deal werden Anteile an einem Unternehmen erworben, beim Asset-Deal erwirbt der Käufer alle oder bestimmte Betriebsmittel oder Betriebsteile.

Ferner sind der Zeitpunkt und die zeitliche Gestaltung des Erwerbsvorgangs von besonderer Bedeutung. Es gibt drei zeitliche Abschnitte:

  • ·vorinsolvenzlich, das heißt während der wirtschaftlichen Krise, ohne dass ein Insolvenzgrund vorliegt
  • bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes vor Eröffnung eines Insolvenzverfahren
  • die Phase nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Ein Erwerb eines Unternehmens im eröffneten Insolvenzverfahren fällt unter den Begriff der sogenannten „übertragenden Sanierung“ oder auch „in-court sale“. Zulässig ist die übertragende Sanierung allerdings nur nach vollständiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nicht bereits vom vorläufig bestellten Insolvenzverwalter. Im Unterschied zum vorinsolvenzlichen Erwerb finden dann die Vorschriften des Insolvenzrechts Anwendung; im Wege eines Asset Deals unter Zurückbleiben von Verbindlichkeiten.

Besonderheiten der Distressed-M&A-Transaktion

Anstelle eines klassischen, sequenziellen Transaktionsablaufs ist eine Distressed-M&A-Transaktion oft von einem Nebeneinander von Transaktionsschritten geprägt. Schnelligkeit und eine enge Abstimmung sind wichtige Erfolgsfaktoren. Die zeitliche Abfolge, die häufig von unternehmerischen und steuerlichen Interessen geprägt ist, beinhaltet bei Distressed-M&A-Transaktionen zudem schließlich noch einen ganz substanziellen Aspekt: die mögliche Anfechtbarkeit des Kaufs durch einen späteren Insolvenzverwalter.

Der Kaufvertrag wird in den häufigsten Fällen in Gestalt eines Asset-Deals geschlossen. Diese Form bietet den Vorteil, dass tatsächlich nur die zwischen den Parteien vereinbarten Gegenstände des Betriebs oder Betriebsteile übertragen werden. Dabei kann der Käufer den Fokus auf bestimmte Güter setzen und unrentable oder unnötige Objekte auslassen, das sogenannte Cherry-Picking.

In Bezug auf Mitarbeiter sind dem Cherry-Picking allerdings Grenzen gesetzt, da beim Erwerb eines Betriebs oder Betriebsteils ein sogenannter Betriebsübergang vorliegen kann, infolgedessen alle Mitarbeiter auf den Erwerber übergehen. Dies vermeidet man in der Praxis oft dadurch, dass eine ausreichende Anzahl von Mitarbeitern, die nicht an den neuen Eigentümer übergehen sollen, auf eine sogenannte „Transfergesellschaft“ oder „Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft“ (BQG) freiwillig übergeht, um sich dort für andere Aufgaben vorzubereiten.    

Der Share-Deal birgt dagegen das Risiko, dass auch Verbindlichkeiten und „Altlasten“ des Unternehmens mit übergehen. Auch wenn nach Verfahrenseröffnung bereits ein tragfähiges Sanierungskonzept und ein Insolvenzplan vorliegen sollten, steht in diesem Fall noch die Entschuldung des Unternehmens im Raum.

Soweit dies überhaupt möglich ist – oft wird dem nicht so sein – sollte eine sorgfältige Due-Diligence-Prüfung der Risiken und vor allem auch der Finanzlage des Unternehmens vorgenommen werden.

Nicht außer Acht lassen darf man natürlich die auch sonst in M&A-Transaktionen relevanten Themen, etwa steuerliche Risiken, Kartellfreigabe und außenwirtschaftsrechtliche Klärung.

Die Wahl des richtigen Zeitpunktes

Ein Unternehmenskauf oder der Kauf bestimmter Unternehmensteile vor Eintritt der gesetzlichen Insolvenzgründe bietet verschiedene Vorteile. Zu diesem Zeitpunkt folgt die Transaktion noch den Grundsätzen des Zivil- und Gesellschaftsrechts und eröffnet den Parteien damit den gewohnten Spielraum in der vertraglichen Gestaltung und Umsetzung der Transaktion. In diesem Stadium bestehen zumeist noch unbelastete Lieferketten und ein intakter Kundenstamm.

Solche Transaktionen dienen oftmals dazu, den Unternehmen frisches Kapital zukommen zu lassen, interne Abläufe zu prüfen und zu optimieren, eine Insolvenz zu vermeiden und so den Turnaround zu schaffen. Der Nachteil ist hingegen, dass sich der Erwerb als „Fass ohne Boden“ herausstellen kann, wenn es weiteren Finanzierungsbedarf geben sollte, der nicht im Vorhinein erkannt wurde.

Ein besonderes Risiko ergibt sich bei Transaktionen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens, vor allem bei Asset-Deals. Lagen wider Erwarten doch unentdeckt Insolvenzgründe vor, ist die Gefahr hoch, dass der Kaufvertrag oder die Übertragung der Vermögensgegenstände durch den Insolvenzverwalter des Verkäufers angefochten werden.

Ist also vorauszusehen, dass sich eine bestehende Krise noch vertiefen wird, sollten Käufer daher besondere Sicherungsmechanismen in Betracht ziehen. Die Chancen des günstigen Erwerbs sollte dadurch genutzt werden, den Kaufprozess ausgewogen zu gestalten, um sich nicht später dem Vorwurf der unmittelbaren oder vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung ausgesetzt zu sehen. Dies gilt für das Bemessen und Aushandeln des Kaufpreises gleichermaßen wie auch für die Vertragsgestaltung selbst. Gelingen kann das durch die Erstellung einer Fairness-Opinion oder eines Gutachtens durch einen Wirtschaftsprüfer. Ein zeitliches Zusammenfallen von Signing und Closing ist zu empfehlen und meistens geboten, um eine zügige Übertragung des Vertragsgegenstandes zu realisieren.

Von einem Erwerb zwischen Eintritt des Insolvenzgrundes und der Eröffnung des Verfahrens ist in aller Regel abzuraten. Von einer Anfechtung des Vertrages beziehungsweise der Übertragung, sofern diese vor Insolvenzantragstellung erfolgten, durch den Insolvenzverwalter kann grundsätzlich ausgegangen werden. Nach Antragstellung und Einleitung des vorläufigen Insolvenzverfahrens finden Verkäufe in der Regel nicht statt. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird allerdings die Möglichkeit in Betracht ziehen, die Veräußerung vorzubereiten, um das Unternehmen dann nach Verfahrenseröffnung als „voller“ Insolvenzverwalter zu verkaufen.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen neben den gewonnen Informationen aus der Due-Diligence auch die Ergebnisse aus der Prüfung des Unternehmens seitens des Insolvenzverwalters vor. Restrukturierungsziele können unter dem Schirm des Insolvenzrechts teilweise leichter und effizienter umgesetzt werden, insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts. Allerdings sind an einem solchen Prozess weitere Parteien beteiligt. Neben dem Insolvenzverwalter und dem Käufer selbst sind auch Gesellschafter und vor allem die Gläubiger mit einzubeziehen. Meistens ist es jedoch im Sinne des Insolvenzverwalters, bestimmte Betriebsteile eines Unternehmens zu verkaufen und optimierte, geordnete Verkaufsprozesse durchzuführen. Auch die Gefahr der Anfechtbarkeit vor Erwerbsvorgängen besteht zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, die Risiken für den Käufer verringern sich. Für Käufer, für die das Unternehmen ein strategisch sinnvoller Erwerb darstellt und die ein nachhaltiges Sanierungskonzept mitbringen, eröffnen Insolvenzverfahren Chancen, die sie in einem florierenden Markt mit gesunden Unternehmen möglicherweise nicht hätten.

Beim Erwerb eines Unternehmens aus der Krise kommt es damit insbesondere auf das Timing an. Können Risiken abgeschätzt oder aktiv verringert werden, bietet ein Kauf vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens viel Gestaltungsfreiheiten. Ist die unternehmerische und wirtschaftliche Krise schon fortgeschritten, wird es für den Bestand der Transaktion sicherer sein, den Weg der übertragenden Sanierung zu wählen und die Vorteile des Insolvenzrechts auszuschöpfen.

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