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EuGH entscheidet: YouTube war nicht haftbar für seine Nutzer


Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Plattformbetreiber YouTube in einem Fall aus 2008 nicht für Urheberrechtsverletzungen durch seine Nutzer haftbar war. 

Zwischenzeitlich hat sich das Urheberrecht allerdings geändert. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) musste die zwei ihm vorgelegten Fälle jedoch anhand der zur dieser Zeit bestehenden Rechtslage prüfen. „Der EuGH musste noch auf der Grundlage des ‚alten‘ Rechts entscheiden”, so Dr. Nils Rauer, Experte für Urheberrecht bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „Das Urteil wird aber dennoch auch in Zukunft relevant sein.”

 

Im ersten Fall hatte ein Musikproduzent aus Hamburg geklagt, da auf YouTube private Konzertaufnahmen und Stücke aus Alben hochgeladen worden waren, die er produziert hatte. Im zweiten Fall hatte ein Verlag geklagt, dessen medizinische Fachbücher ohne seine Erlaubnis auf einer Plattform hochgeladen worden waren. Beide Fälle hatte der Bundesgerichtshof zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt, da sie EU-Recht berühren. Unter anderem wollte er durch den EuGH klären lassen, inwieweit die Betreiber von Internetplattformen haften, wenn urheberrechtlich geschützte Werke von Nutzern unbefugt auf deren Plattformen hochgeladen werden. Entscheidend ist dabei die Frage, ob die Plattformbetreiber damit, dass sie den Nutzern den Upload ermöglichen, einen Akt der „öffentlichen Wiedergabe“ begehen, der gegen das Urheberrecht verstößt.

Der EuGH teilte mit, dass beim damaligen Stand des Unionsrechts „seitens der Betreiber von Internetplattformen grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe der von Nutzern rechtswidrig hochgeladenen, urheberrechtlich geschützten Inhalte erfolgt, es sei denn, die Betreiber tragen über die bloße Bereitstellung der Plattformen hinaus dazu bei, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen.“ Zudem stellte der EuGH fest, dass die Betreiber einer Internetplattform sich auf eine Haftungsprivilegierung berufen können, solange sie sich auf ihre neutrale und rein technische Funktion beschränken, die etwa dann nicht mehr vorläge, wenn sie aufgrund ihrer aktiven Rolle eine eigene öffentliche Wiedergabe vornehmen würden.

Das heißt: Plattformbetreiber waren früher grundsätzlich nicht für das Verhalten ihrer Nutzer verantwortlich, solange sie nicht wussten oder nicht wissen konnten, dass auf ihren Seiten illegale Inhalte hochgeladen wurden. Sobald sie aber von einer Urheberrechtsverletzung Kenntnis erlangten, mussten sie die illegal hochgeladenen Inhalte löschen oder sperren.

„Die Entscheidung des EuGH steht im Einklang mit seinen früheren Entscheidungen: Die Kernfrage ist und bleibt, ob sich die Plattform in einer eher passiven Rolle befindet und damit nicht haftet oder in einer eher aktiven Rolle und damit haftet. Das ist ein schmaler Grad und steht in enger Beziehung zur Kenntnis von rechtsverletzenden Inhalten oder potentiellen Kenntnis, dass die eigene Plattform für rechtsverletzende Zwecke genutzt wird”, so Dr. Rauer. Der EuGH teilte auch mit, dass ein Plattformbetreiber ebenfalls haftbar sein kann, wenn er versäumt, angemessene technische Maßnahmen zu ergreifen, um Urheberrechtsverletzungen auf seiner Plattform entgegenzuwirken. „Plattformen wie YouTube verfügen über solche Mechanismen. Plattformen, die systematisch illegale Inhalte auf ihren Webseiten dulden, verzichten jedoch in der Regel auf derlei technische Maßnahmen. Eine aktive Rolle kann also auch dann angenommen werden, wenn ein Betreiber es versäumt, aktiv zu werden und eine Umgebung zu schaffen, die technisch in der Lage und geeignet ist, illegale Inhalte, die von den Nutzern hochgeladen werden, zu beseitigen“, so Dr. Rauer.

Mittlerweile gilt jedoch eine neue EU-Urheberrechts-Richtlinie und mit ihr neue Regeln für die Haftung von Plattformen. „Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie für den digitalen Binnenmarkt hat die Spielregeln verändert“, sagt Dr. Rauer. „Diese Bestimmungen mussten bis zum 7. Juni 2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Viele Mitgliedsstaaten haben dies bereits getan.”

In Deutschland wurde die neue Urheberrechts-Richtlinie erst kürzlich in nationales Recht umgesetzt, die neuen Regeln treten Anfang August in Kraft. Dann haften Plattformen für Inhalte, die Nutzer hochladen. Die Plattformen müssen sich im Rahmen eines best-effort Ansatzes für diese Inhalte um Lizenzen bei den Urhebern selbst oder anderen repräsentativen Rechteinhabern wie Verwertungsgesellschaften bemühen. Wenn der Rechteinhaber es verlangt, müssen sie grundsätzlich verhindern, dass seine Werke hochgeladen werden können – beispielsweise mittels sogenannter Uploadfilter. „Die Grenze dieser Verhaltenspflichten bildet stets der im Einzelfall zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hier kann für jeden Diensteanbieter im Einzelfall unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Technik eine individuelle Grenzziehung nötig sein“, so Dr. Rauer.

Trotz dieser Änderung hält Dr. Rauer das EuGH-Urteil auch in Zukunft für relevant, denn nicht jede Plattform erfülle die Kriterien, um als „Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten“ (DTOs) zu gelten und somit vom neuen Artikel 17 der Urheberrechtsrichtlinie erfasst zu werden. Ausgenommen sind unter anderem nicht gewinnorientierte Online-Enzyklopädien und bestimmte Arten von Cloud-Diensten. Für solche Plattformen gilt weiterhin das „alte“ Urheberrecht, auf dem auch das EuGH-Urteil beruht.

„Für diese Plattformen ist die Frage, ob sie eine aktive Rolle ausfüllen oder nicht, nach wie vor von Bedeutung. Mit dem Urteil können die nationalen Gerichte auf weitere Hinweise aus Luxemburg bauen, wo die Grenze zu ziehen ist“, so Dr. Rauer. „Wenn wir uns fragen, ob dieses Urteil die Angelegenheit ein für alle Mal entschieden hat, muss die Antwort nein lauten. Es bildet eine Orientierungshilfe für die Fälle, die nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 17 der Urheberrechtsrichtlinie fallen werden. Als solches ist das Urteil zu begrüßen. In Zukunft wird es allerdings von wesentlicher Bedeutung sein, die Trennlinie zwischen DTOs und Nicht-DTOs klar zu ziehen. Plattformen müssen sicher sein, wo sie hingehören und an welches der beiden Konzepte sie sich halten müssen.“

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