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EuGH urteilt: Künstlern außerhalb des EWR steht gleiche Vergütung zu


Verwertungsgesellschaften in der EU dürfen Künstler außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums nicht benachteiligen, so das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass europäische Verwertungsgesellschaften ausübende Künstler, die nicht in Europa oder in Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ansässig sind, von der Ausschüttung von Lizenzgebühren nicht ausschließen dürfen.

Urheber können Verwertungsgesellschaften mit der Wahrnehmung ihrer Rechte an Werken beauftragen. Die Gesellschaften fordern kollektiv Lizenzgebühren für die Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke ein und schütten die Einnahmen anschließend an die Urheber aus. Eine in Irland ansässige Verwertungsgesellschaft hatte Künstler mit Sitz außerhalb des EWR bei der Ausschüttung   anders behandelt als Künstler innerhalb des EWR – und entsprach damit den Vorgaben irischen Rechts.

Dieses Vorgehen ist jedoch laut EuGH nicht mit dem EU-Recht vereinbar. In dem jüngst veröffentlichten Urteil heißt es konkret, „dass das Recht auf eine einzige angemessene Vergütung nicht durch den nationalen Gesetzgeber ausschließlich auf Staatsangehörige der EWR-Mitgliedstaaten beschränkt werden kann.“

„Das Urteil des EuGH stellt sicher, dass eine Gleichbehandlung von Künstlern und Tonträgerherstellern innerhalb der EU gewährleistet ist“, so Anna-Lena Kempf, Expertin für Urheberrecht bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „Damit schafft es einen sicheren Rechtsrahmen und stärkt das hohe Schutzniveau, auf das sich Rechteinhaber – ohne Ansehung ihrer Herkunft – innerhalb der EU und ihren Mitgliedstaaten verlassen können. Nationalen Alleingängen, die dieses Niveau absenken, erteilen die Luxemburger Richter auf diese Weise eine Absage.“

Das EuGH-Urteil bezieht sich auf einen Fall, den der Oberste Gerichtshof von Irland vorgelegt hatte. Darin klagte die irische Verwertungsgesellschaft Recorded Artists Actors Performers (RAAP) gegen eine andere Verwertungsgesellschaft, Phonographic Performance Ireland (PPI), sowie gegen den irischen Minister für Beschäftigung, Unternehmen und Innovation, der die Einhaltung des Urheberrechts durchsetzt.

PPI vertritt die Rechte von Produzenten und Plattenfirmen und sammelt in Irland die Vergütung für das Abspielen oder Senden von Musikaufnahmen ein, um sie dann mit RAAP zu teilen. RAAP vertritt die Künstler und schüttet die von PPI erhaltenen Anteile an sie aus.

Im dem EuGH vorgelegten Fall ging es darum, dass PPI – dem irischen Recht folgend – nur Anteile von Künstlern aus dem EWR zur Ausschüttung weitergab, Anteile von Künstlern, die beispielsweise aus den USA kommen, jedoch einbehielt. Zugleich schüttet PPI Anteile an Plattenfirmen mit Sitz im EWR-Ausland aus.

RAAP hatte bemängelt, dass es so zu einer doppelten Ungleichbehandlung von Künstlern außerhalb des EWR komme. RAAP hielt dieses Vorgehen vor dem Hintergrund internationaler Urheberrechtsverträge für europarechtswidrig, insbesondere in Hinblick auf das internationale WIPO Performances and Phonograms Treaty (WPPT), das auf die internationale Gleichberechtigung von Künstlern abzielt.

Der EuGH bestätigt diese Position in weiten Teilen. „Die Auslegung der EuGH-Richter demonstriert, wie sehr internationale Übereinkommen das europäische und nationale Urheberrecht inzwischen beeinflussen“, so Kempf. „Der Rahmen, den internationale Verträge setzen, ist ein immer entscheidenderes Merkmal, das die Grenze des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene vorgibt. Dabei gilt der Grundsatz, dass eine Auslegung  völkerrechtsfreundlich und damit konform mit internationalen Verpflichtungen erfolgen muss, sofern dies möglich ist.“

Sowohl die EU als auch die Mitgliedstaaten jeweils für sich genommen sind vollwertige Vertragsparteien im WPPT, auf den sich RAAP berief. Die EU kam ihrer Verpflichtungen aus dem WPPT, eine Vergütung für Tonträgerhersteller und ausübende Künstler bei öffentlicher Wiedergabe oder drahtlos übertragener Rundfunksendungen vorzusehen, bereits in der Vorgängerrichtlinie der Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie nach.

Die Nachfolgeregelung des Art. 8 Abs. 2 Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie bezieht sich nicht ausdrücklich auf den WPPT, ist jedoch gleichwohl als dessen Umsetzung zu verstehen, wie die Luxemburger Richter argumentieren. Darin heißt es: „Die Mitgliedstaaten sehen ein Recht vor, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet.“

Das EuGH-Urteil betont das Grundprinzip, dass europarechtliche Begriffe autonom durch den EuGH ausgelegt werden müssen. Findet sich in einer Richtlinie kein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass ein Begriff erst durch die Mitgliedstaaten festzulegen ist, so besitzen diese keine Kompetenz dazu, Begriffe und ihre Reichweite national zu bestimmen – so auch nicht den im vorgelegten Fall entscheidenden Begriff der berechtigten „ausübenden Künstler“.

Der Art. 8 Abs. 2 Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie sei so weit wie möglich im Einklang mit dem WPPT auszulegen, so Zeljana Opacak, Expertin für Urheberrecht bei Pinsent Masons. „Dieser Vertrag sieht nach den Voraussetzungen des Rom-Abkommens eine weitgehende Inländergleichbehandlung vor. Dementsprechend argumentieren die Richter des EuGH, dass eine Auslegung der Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie, die eine Begrenzung der Anspruchsinhaber auf Personen aus dem EWR vorsieht, unzulässig ist.“

Die dahinterstehende Argumentation habe eine erstaunliche Tragweite, auch über den Einzelfall hinaus. Zwar hätten mehrere Mitgliedstaaten Vorbehalte gegen die Verpflichtungen aus dem WPPT fomuliert, wie nach einer Regelung im WPPT möglich, allerdings habe die EU, die gleichfalls vollwertige Vertragspartei ist, dies nicht getan. „Nach dem EuGH kann ein nationaler Vorbehalt zwar Verpflichtungen beschränken, die den Mitgliedstaat unmittelbar aus dem WPPT treffen, dies gilt jedoch nicht für seine Verpflichtungen mit Blick auf die Umsetzung des EU-Rechts. Dass diese Norm internationales Recht ohne Vorbehalte umsetzt, gegen das der Mitgliedstaat auf nationaler Ebene noch Vorbehalte formuliert hat, spielt demnach keine Rolle mehr“, so Opacak. Damit werde deutlich, wie weitgehend internationale Verpflichtungen auch mittelbar über die Materie des EU-Rechts in das mitgliedstaatliche Recht hineinwirken können, sodass ein nationaler Vorbehalt keine Wirkung mehr entfaltet.

Der EuGH betont, dass den Mitgliedstaaten bei der konkreten Aufteilung der Vergütung ein gewisser Spielraum zustehe. „Dennoch muss die Aufteilung den Grundprinzipien des europäischen Urheberrechts entsprechen. Allen voran geht es hierbei um die Sicherstellung einer angemessenen Vergütung der Rechteinhaber, um einerseits zu ermöglichen, dass ihre Kosten gedeckt sind, andererseits aber auch ein ausreichendes Vergütungsniveau zu erreichen, welches zu weiterem kulturellem Schaffen anregt“, so Opacak. „Eine Aufteilung, bei der ein Rechteinhaber nichts und der andere alles bekommt, genügt diesen Anforderung nicht.“

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