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EuGH urteilt zu Arbeits-und Ruhezeiten sowie zur Rufbereitschaft


Der Europäische Gerichtshof hat die Vorgaben zur Arbeits- und Ruhezeiten für Beschäftigte mit mehreren Verträgen beim selben Arbeitgeber konkretisiert und klargestellt, wann Rufbereitschaft als Arbeitszeit bewertet werden muss.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Arbeitnehmer mit mehreren Arbeitsverträgen bei ein und demselben Arbeitgeber die täglich erlaubten Arbeitsstunden bei ihrer Tätigkeit insgesamt nicht überschreiten dürfen. Auch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit von mindestens elf ununterbrochenen Stunden muss eingehalten werden – und zwar unter Berücksichtigung aller Tätigkeiten.

„Hat ein Arbeitnehmer mit demselben Arbeitgeber mehrere Arbeitsverträge geschlossen, gilt die tägliche Mindestruhezeit für die Verträge zusammengenommen und nicht für jeden der Verträge für sich genommen“, teilte der EuGH mit.

Bei dem Urteil handelt es sich um eine Vorabentscheidung zu einem Fall aus Rumänien: Im Rahmen eines Forschungsprojekts beschäftigte eine Akademie Mitarbeiter auf mehreren Verträgen. Dabei kamen die Mitarbeiter auf eine Gesamtarbeitszeit von mehr als 13 Stunden und überschritten so die durch die zuständige Behörde vorgegebene Höchstarbeitszeit. Auch unterschritten die Arbeitnehmer so die europarechtlich vorgeschriebene Ruhezeit von elf Stunden.

Der EuGH stellte daraufhin klar, dass Arbeits- und Ruhezeiten in der Arbeitszeitrichtlinie der EU definiert werden. Arbeitszeit sei folglich „jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt.“ Ruhezeit sei „jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit“. Beide Begriffe schlössen einander aus, eine Zwischenkategorie sehe die Arbeitszeitrichtlinie nicht vor.

„Das deutsche Arbeitszeitgesetz geht sogar noch über die Entscheidung des EuGH hinaus“, sagt Dr. David Stoppelmann, Experte für Arbeitsrecht bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „So darf die werktägliche Arbeitszeit zehn Stunden grundsätzlich nicht überschreiten. Hierbei sind Tätigkeiten für verschiedene Arbeitgeber zu addieren. Dass die Ruhezeit somit nicht mit der Arbeit für einen anderen Arbeitgeber erfüllt werden kann, versteht sich nach deutschem Recht von selbst.“

Es sei zudem zu erwarten, dass basierend auf der Entscheidung des EuGH in Zukunft auch Tätigkeiten für verschiedene Arbeitgeber nach der europäischen Arbeitszeitrichtlinie addiert werden müssen, da anderenfalls die erforderliche Mindestruhezeit von ununterbrochenen elf Stunden innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums nicht eingehalten würde, wenn der Beschäftigte für unterschiedliche Arbeitgeber arbeitet.

In zwei anderen Fällen, über die der EuGH ebenfalls kürzlich entschied, ging es um die Frage, ob und wann Bereitschaftszeit Arbeitszeit sein kann. Der EuGH kam zu dem Schluss, dass Rufbereitschaft dann als Arbeitszeit gewertet werden müsse, wenn der Arbeitnehmer stark darin eingeschränkt ist, wie er die Zeit der Rufbereitschaft auch außerhalb seiner Einsätze innerhalb der Rufbereitschaft gestaltet.

„Eine Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft stellt nur dann in vollem Umfang Arbeitszeit dar, wenn die dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen seine Möglichkeit, während dieser Zeit seine Freizeit zu gestalten, ganz erheblich beeinträchtigen“, so der EuGH.

Ein Feuerwehrmann aus Offenbach hatte geklagt, da er die Vorgabe hatte, während seines Rufbereitschaftsdienstes in der Lage sein zu müssen, binnen 20 Minuten in Arbeitskleidung mit dem Einsatzfahrzeug die Stadtgrenze zu erreichen. Der Feuerwehrmann forderte, dass die Bereitschaftszeiten aufgrund dieser Einschränkungen in vollem Umfang als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes anerkannt und auch vergütet werden.

Im zweiten Fall ging es um einen slowenischen Techniker, der mehrere Tage damit verbracht hatte, in den slowenischen Bergen den Betrieb von Fernsehsendeanlagen sicherzustellen. Da er während seiner Rufbereitschaft immer telefonisch erreichbar sein musste, konnte er die Dienstunterkunft nicht verlassen.

„Die Abgrenzung zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaft, welche arbeitszeitrechtlich wie Vollarbeit gewertet wird, treffen deutsche Gerichte ebenfalls nach denselben Kriterien wie der EuGH“, so Dr. Alessa Trunk, Expertin für Arbeitsrecht bei Pinsent Masons. „Wenn dem Arbeitnehmer zwar keine sofortige Einsatzbereitschaft abverlangt wird, seine Freizeit aber dennoch so erheblich eingeschränkt ist, dass diese nicht als Ruhezeit, sondern als Arbeitszeit zu bewerten ist, liegt keine Rufbereitschaft vor. In diesen Fällen handelt es sich um einen Bereitschaftsdienst.“ Dies habe insbesondere arbeitszeitrechtliche Folgen, da Bereitschaftsdienste bei der Ermittlung der täglichen Höchstarbeitszeit von maximal zehn Stunden voll angerechnet werden.

„Die Zeitspanne, in der der Arbeitnehmer einsatzbereit an dem vom Arbeitgeber vorgegebenen Ort zu Verfügung stehen muss, war schon immer besonders wichtig für die Abgrenzung von Rufbereitschaft und Bereitschaft“, so Dr. Trunk.

Was genau die Entscheidung des EuGH letztlich für die beiden Fälle bedeutet, werden die nationalen Gerichte im Nachgang zu entscheiden haben.

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