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Immobilienfinanzierung und Mietkürzungen: Was sich durch das BGH-Lockdown-Mietenurteil ändert


Einzelhandels- und Gastronomieunternehmen, die von den diversen Corona-Lockdowns betroffen waren, versuchen, ihre Gewerbemieten für diese Zeiträume zu reduzieren. Die Rechtslage hat sich nun durch ein Urteil des Bundesgerichtshofes weiter geklärt. Das hat auch Folgen für die Immobilienfinanzierung.

Seit Pandemiebeginn versuchen zahlreiche Betriebe im Einzelhandel und in der Gastronomie, die Gewerbeimmobilien gemietet haben und auf behördliche Anordnung geschlossen wurden, eine Anpassung ihrer Miete zu erwirken. Viele haben zudem während der Lockdowns eigenmächtig Mietkürzungen vorgenommen, mit der Begründung, dass sie die Räume während der behördlich angeordneten Schließungen nicht für den vorgesehenen Zweck nutzen konnten.

Ein neues höchstrichterliches Urteil sorgt nun für mehr Klarheit: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 12. Januar entschieden, dass für Mieter, deren Geschäfte im ersten Lockdown schließen mussten, grundsätzlich eine Anpassung der Miete in Betracht kommt. Ob und in welcher Höhe der Anspruch bestehe, hänge jedoch von den Umständen des Einzelfalls ab.

Diese Entscheidung des BGH dürfte vielen Mietern in die Karten spielen. Denn der BGH bestätigt, dass Corona-bedingte Geschäftsschließungen eine schwerwiegende Änderung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrags darstellen. Mieter müssen dieses Risiko nicht allein tragen und können dies nun auch zu Recht ihren Vermietern entgegenhalten und eine Mietreduzierung beanspruchen. Hierbei muss zwar laut BGH-Urteil noch die Frage geklärt werden, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar war. Dies dürfte jedoch in den meisten Fällen der Schließung von Einzelhandel und Gastronomie zu bejahen sein, wenn infolge der Schließung ein dauerhafter Umsatzrückgang für das konkrete Geschäft eingetreten ist. Allerdings verlangt der BGH für die Zumutbarkeitsprüfung eine Abwägung aller Vor- und Nachteile im Einzelfall. Neben dem konkreten Umsatzrückgang im Mietobjekt spielt es auch eine Rolle, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat, um die Verluste zu mindern. Eine pauschale Mietminderung um 50 Prozent, wie sie manche Oberlandesgerichte angesetzt hatten, lehnt der BGH ab. Stattdessen ist nunmehr klargestellt, dass bei Prüfung der Unzumutbarkeit auch finanzielle Vorteile zu berücksichtigen sind, die ein Mieter aus staatliche Kompensationsleistungen oder Betriebsversicherungen erhalten hat oder hätte erhalten können.

Stubert Julia

Julia Stubert, LL.M.

Rechtsanwältin, Legal Director

Obgleich es also auf den Einzelfall ankommt, schafft das BGH-Urteil nun mehr Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter. 

Mieter seien zudem generell auch während eines Lockdowns gehalten, konkrete Anstrengungen zu unternehmen, um drohende Verluste selbst auszugleichen. Behauptet der Mieter etwa, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, muss er darlegen und erforderlichenfalls auch beweisen, dass er sich um Hilfeleistungen zumindest bemüht hat. Gelingt ihm der Nachweis nicht, müsse er sich so behandeln lassen, als hätte er die Leistungen tatsächlich erhalten. Dies erschwert es dem Mieter, seinen Anspruch auf Anpassung der Miete geltend zu machen, da er zuvor nachweisen muss, dass er sich um staatliche Hilfen und alternative Geschäftsmodelle bemüht hat, all dies aber nicht ausreichte, um seine durch den Lockdown verursachten Verluste auszugleichen. 

 

Obgleich es also auf den Einzelfall ankommt, schafft das BGH-Urteil nun mehr Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter. Damit sollte es für die bislang uneinheitlichen Entscheidungen diverser Oberlandesgerichte keinen Raum mehr geben.

Außergerichtliche Lösungen

Vor dem Hintergrund des BGH-Urteils lohnt sich ein vor Gerichten ausgefochtener Streit nicht mehr. Vermieter können auf dieser Basis von Minderung begehrenden Mietern zu Recht verlangen, sowohl ihre konkreten Umsatzeinbußen als auch die erhaltenen Kompensationen oder Bemühungen darzulegen. Weigern sich Mieter dem nachzukommen, ist die eigenmächtige Kürzung der Miete unberechtigt und der Vermieter hat einen Grund zur außerordentlichen Kündigung, wenn die Mietrückstände zwei Monatsmieten erreichen.

Mieter sind gut beraten, die geforderten Nachweise vorzulegen, um eine andernfalls drohende Zahlungsklage oder das Risiko einer Kündigung seitens des Vermieters zu vermeiden. Für die Berechnung der Höhe der Anpassung bedarf es keiner Hilfe des Gerichts mehr. Denn anhand der konkret ermittelten Umsatzeinbußen lässt sich außergerichtlich und einvernehmlich klären, in welcher Höhe die Miete anzupassen ist.

Offen ist, ob Mieter unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage Mietanpassungen auch für Zeiten verlangen können, in denen sie nicht direkt von Schließungen betroffen waren, aber mittelbar unter den Effekten der Pandemie Umsatzeinbußen erleiden mussten, beispielsweise durch eingeschränkte Öffnungszeiten für Gastronomie oder Zugangsbeschränkungen auf Geimpfte. Das BGH-Urteil diskutiert diese Frage nicht, spricht aber von einer durch staatliche Eingriffen in das soziale und wirtschaftliche Leben ausgelösten Systemkrise, die als Störung der Geschäftsgrundlage anzuerkennen ist. Daher ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, auch bei coronabedingten mittelbaren Beschränkungen Mietanpassungen geltend zu machen. Allerdings wird es im Einzelfall für Mieter schwieriger sein, die Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag darzulegen; zum einen griffen in dieser Phase die diversen staatlichen Hilfen, andererseits realisiert sich mit Umsatzrückgängen durch weniger Kunden auch ein typisches Risiko eines Einzelhändlers, dem er mit geänderten Geschäftsmodellen, Kreativität und Einsatz entgegenwirken kann. Insoweit ist die Rechtslage weiterhin unklar und Vermieter sind gut beraten, für die Pandemie-Zeit nach den Schließungen Mietreduzierungen nicht ohne weiteres zu akzeptieren.

Bei Abschluss neuer Mietverträge empfiehlt es sich aus Sicht des Mieters, eine konkrete Mietanpassungsklausel in den Vertrag zu verhandeln, die für künftige Pandemieereignisse bei entsprechenden Nachweisen zum Umsatzrückgang Stunden und Mietanpassungen ermöglicht.

Auswirkungen auf Immobilienfinanzierungen

Wenn Mietzahlungen ganz oder teilweise ausbleiben, ist der Darlehensnehmer in aller Regel dazu verpflichtet, die Bank frühzeitig darüber zu informieren. 

Ob ein Vermieter auch im Lichte der aktuellen Entscheidung des BGH von Vornherein dazu bereit ist, die Miete anzupassen, hängt unter Umständen auch davon ab, ob das Mietobjekt fremdfinanziert ist und er regelmäßige Zahlungen an Darlehensgeber oder Banken leisten muss. Werden Mieten überhaupt nicht oder nur teilweise gezahlt und ist das Mietobjekt fremdfinanziert, wirkt sich das regelmäßig auf den Darlehensvertrag aus. Dies gilt es rechtzeitig zu erkennen, denn ist dies der Fall, ist es wichtig, frühzeitig das Gespräch mit den Darlehensgebern zu suchen.

Wenn Mietzahlungen ganz oder teilweise ausbleiben, ist der Darlehensnehmer in aller Regel dazu verpflichtet, die Bank frühzeitig darüber zu informieren. Darauf sollten betroffene Vermieter von fremdfinanzierten Objekten achten.

Erhält der Vermieter als Darlehensnehmer Leistungen etwa aus einer Ertragsausfallversicherung im Bezug auf die finanzierte Immobilie, sind diese Ansprüche regelmäßig sicherungshalber an den Darlehensgeber abgetreten und müssen zur Sondertilgung des Darlehens verwendet werden. Dies gilt es zu beachten. Da der Darlehensnehmer jedoch insoweit das Darlehen zurückzahlt, dürfte dieser Umstand auch in eine Betrachtung der Interessen des Vermieters einfließen, die nach der aktuellen Entscheidung des BGH ebenfalls ausdrücklich bei der Abwägung in den Blick zu nehmen sind, um zu entscheiden, ob dem Mieter ein Festhalten an unveränderten Mietvertrag zugemutet werden kann. Soll als Konsequenz von ganz oder teilweise ausbleibenden Mietzahlungen ein bestehender Mietvertrag geändert oder vermieterseitig gekündigt werden, kann insbesondere bei Ankermietern die Zustimmung der Bank hierzu erforderlich sein. Ebenso können Darlehensverträge vorsehen, dass bestimmte Rechte gegenüber nichtzahlenden Mietern ausgeübt werden müssen oder der Vermieter besondere Anstrengungen unternehmen muss, um Mieter für leerstehende Flächen zu finden.

Sofern ein Darlehensvertrag Finanzkennzahlen enthält – wie bei gewerblichen Immobilienfinanzierungen üblich – können diese unter Umständen nicht mehr eingehalten werden. Hier sind besonders die Zinsdienstdeckungsquote (ICR), die Schuldendienstdeckungsquote (DSCR) und die Fremdkapitalbedienungsfähigkeit (Debt Yield) relevant, die jeweils auf den Ertrag der Immobilie abstellen. Je nach den Bestimmungen des Darlehensvertrages kommt es dabei auch darauf an, ob in die Berechnung des Ertrags etwaige Versicherungsleistungen einfließen. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung, bestimmte Finanzkennzahlen einzuhalten, kann beispielsweise einen sogenannten Cash Sweep zur Folge haben, bei dem Liquidität als Sondertilgung an den Darlehensgeber fließt. Es kann auch zu sonstigen Sondertilgungen, Zinserhöhungen oder sogar der Kündigung des Darlehensvertrages durch die Bank kommen.

Um das zu vermeiden, sollten Darlehensnehmer, die von Mieteinbußen betroffen sind, Stundungsvereinbarungen, Laufzeitverlängerungen, Anpassungen der Finanzkennzahlen und – gerade wenn Kündigungsrechte im Raum stehen – Verzichtserklärungen (Waiver) in Betracht ziehen und mit ihrer Bank verhandeln. Hierbei sollten getroffene Vereinbarungen im Interesse aller Beteiligten sorgfältig dokumentiert werden.

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