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Kein Urlaubsverzicht im laufenden Arbeitsverhältnis


Eine aktuelle Entscheidung stellt die bisher gängige Praxis infrage, bei der Parteien im Rahmen eines Vergleichs vereinbaren konnten, dass offene Urlaubsansprüche bereits gewährt wurden. Das Gericht macht damit deutlich, dass der Zeitpunkt von Vergleichsverhandlungen eine entscheidende Rolle spielt, soweit es um offene Urlaubsprüche geht, erklärt eine Expertin.

Dies folgt auf eine wegweisende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Vereinbarungen, die nicht genommene gesetzliche Urlaubsansprüche ausschließen, ungültig sind, wenn das Arbeitsverhältnis noch besteht.

Nach deutschem Recht muss der gesetzliche Urlaub, der bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht gewährt wurde, finanziell abgegolten werden. Daher war es gängige Praxis, etwaige offene Urlaubsansprüche während der Kündigungsfrist durch eine unwiderrufliche Freistellung bis zum Beendigungsdatum abzugelten. Die Parteien vereinbarten dann, dass der gesamte Urlaub bereits gewährt worden sei.

„Das Bundesarbeitsgericht hat nun jedoch klargestellt, dass dieses Vorgehen nicht mehr zulässig ist, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht“, sagt Gamze Radovic, Expertin für Arbeitsrecht bei Pinsent Masons.

In dem zugrundliegenden Fall ging es um die Abgeltung von sieben Tagen gesetzlichen Urlaubs aus dem Jahr 2023. Auslöser des ursprünglichen Gerichtsverfahrens war die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer war seit Anfang 2023 krankheitsbedingt arbeitsunfähig und konnte daher seinen gesetzlichen Jahresurlaub nicht nehmen. Im März 2023 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, der das Arbeitsverhältnis beendete und eine Abfindung in Höhe von 10.000 € vorsah, die vom Arbeitgeber zu zahlen war. Dabei wurde ausdrücklich festgehalten, dass etwaige offene Urlaubsansprüche bereits gewährt worden seien. Das Arbeitsverhältnis war jedoch formal noch nicht beendet, da die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen war.

Später erhob der Arbeitnehmer Einwände gegen Vergleich und forderte 1.615,11 € zuzüglich Zinsen für den gesetzlichen Mindesturlaub, den er aufgrund der fortbestehenden Krankheit nicht nehmen konnte. Er argumentierte, dass der Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub im gerichtlichen Vergleich unwirksam sei. Das Bundesarbeitsgericht entschied zugunsten des Arbeitnehmers und stellte fest, dass die Klausel, wonach der Urlaub bereits gewährt worden sei, unter den gegebenen Umständen unwirksam sei. Da das Arbeitsverhältnis inzwischen beendet war, müsse der offene Urlaub finanziell abgegolten werden.

Das Bundesarbeitsgericht betonte, dass nach dem Bundesurlaubsgesetz jede Vereinbarung, die den Arbeitnehmer hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs benachteiligt, unwirksam ist. Der gesetzliche Urlaubsanspruch und der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs, der erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht, dürfen im Voraus weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden. Dieses Prinzip gilt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis durch einen gerichtlichen Vergleich beendet wird und klar ist, dass der Arbeitnehmer seinen Resturlaub krankheitsbedingt nicht mehr nehmen kann. Das Gericht verwies zudem auf Artikel 7 Absatz 2 der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG), der besagt, dass bezahlter Jahresurlaub nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf, es sei denn, das Arbeitsverhältnis ist beendet. Da das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Vergleichs noch bestand, blieb der gesetzliche Urlaubsanspruch geschützt und war nicht verhandelbar.

Gamze Radovic sagt: „Das Urteil verdeutlicht, dass der gesetzliche Mindesturlaub nicht abbedungen oder abgegolten werden kann, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht – selbst wenn sich der Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist befindet oder bis zum Ende der Kündigungsfrist arbeitsunfähig ist. Arbeitgeber sollten bei der Formulierung von Vergleichen zwischen gesetzlichem und vertraglichem, zusätzlichem Urlaub unterscheiden, da diese Einschränkung nur für den gesetzlichen Urlaub gilt. Wenn möglich, sollten Arbeitgeber offenen Urlaub durch eine unwiderrufliche Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist gewähren. Es ist wichtig zu beachten, dass Urlaub nur während einer unwiderruflichen Freistellung gewährt werden kann, nicht während einer widerruflichen Freistellung. Ebenso ist es für Arbeitgeber entscheidend, das Risiko offener Urlaubsansprüche bei der Budgetierung von Abfindungszahlungen zu berücksichtigen.“

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