Out-Law Analysis Lesedauer: 3 Min.

OLG Karlsruhe: Online-Marktplatz kann für Werbung Dritter haften


Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass der Betreiber eines Online-Markplatzes unter bestimmten Umständen haftbar gemacht werden kann für Werbung, die ein Dritter, der über diesen Marktplatz Produkte anbietet, geschaltet hat.

Dies gilt insbesondere dann, wenn in der Werbung auf den Marktplatz verlinkt und der Rechtsschein erweckt wird, der Marktplatz selbst stehe hinter der Werbung.

Im konkreten Fall (Az.: 4 U 262/22) geht es um eine Versandapotheke, die mit einem Anbieter telemedizinischer Leistungen kooperiert, der virtuelle Sprechstunden für gesetzlich Krankenversicherte anbot. Die Versandapotheke selbst vertreibt ihre Produkte über einen Online-Marktplatz für Apotheken. In der beanstandeten Werbung wurde die Kooperation zwischen der Apotheke und dem Telemedizindienst beworben. Enthalten war dabei auch ein Link zu dem besagten Online-Marktplatz.

Ein Wettbewerber sah in der Werbung einen Verstoß gegen das  Heilmittelwerbegesetz (HWG) sowie gegen das  Apothekengesetz (ApoG). Er verklagte jedoch nicht die werbende Apotheke, sondern den Betreiber des Marktplatzes. Kern des Vorwurfs war, dass die in Rede stehende Werbung nicht ausreichend deutlich mache, dass die beworbene Videosprechstunde nicht für alle Krankheitsbilder geeignet sei. Außerdem handle es sich bei der Kooperation zwischen Versandapotheke und Telemedizinanbieter um eine unerlaubte Zuführung von Patienten.  Der Marktplatzbetreiber hielt jedoch dagegen, dass sich die Klage fälschlicherweise gegen ihn richte: Er selbst betreibe keine Versandapotheke und sei auch nicht für das Werbematerial solcher Apotheken verantwortlich.

In erster Instanz unterlag der Betreiber des Marktplatzes vor dem Landgericht Konstanz. Auch das Oberlandesgericht Karlsruhe urteilte in der Berufungsinstanz gegen ihn. Das Urteil datiert vom 22. Dezember 2022. Die Richter sehen in der Werbung einen Verstoß gegen das HWG und das ApoG in Verbindung mit dem Paragraf 3a des Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Dieser besagt, dass es sich um unlauteres Verhalten handelt, wenn ein Marktteilnehmer „einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.“

Weiter heißt es in dem Urteil, dass die pauschale Werbung für ärztliche Videosprechstunden gemäß Paragraf 9 HWG unzulässig ist, „wenn der Eindruck erweckt wird, eine Videosprechstunde könne immer, also nicht nur bei bestimmten, eng begrenzten Indikationen in Anspruch genommen werden.“ Es muss nach Ansicht der Richter bereits in der Werbung selbst darauf hingewiesen werden, dass die Videosprechstunde nur für Fernbehandlungen in Frage kommt, für die nach allgemeinen fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

Der Wettbewerbsverstoß wird seitens des Oberlandesgerichts auch kausal dem Betreiber des Online-Marktplatzes zugerechnet. Es betont allerdings die besonderen Umstände des Einzelfalls. Insbesondere der Umstand, dass in der Werbung explizit auf die Website des Marktplatzes verwiesen wird, heben die Richter hervor. Für die angesprochenen Verkehrsteilnehmer sieht es damit ganz danach aus, als ob der Marktplatzbetreiber die Werbung geschaltet habe oder diese zumindest mit seinem Wissen geschaltet worden sei. Folge man als Adressat der Werbung dem Verweis auf die besagte Website, so lasse sich zwar feststellen, wer der eigentliche Anbieter der beworbenen Leistung ist. Man erfahre aber nicht, wer für die Werbung verantwortlich zeichnet, so das Berufungsgericht. Der Ursprung der Werbung bleibt also ungewiss und der Rechtsschein einer Werbung des Marktplatzbetreibers aufrechterhalten.

Auch gehen die Richter – was nicht unerheblich zu deren Entscheidungsfindung beigetragen haben dürfte – davon aus, dass die Werbung nicht ohne Kenntnis des Betreibers geschaltet wurde. Denn es bestand Personenidentität zwischen den Geschäftsführern der werbenden Versandapotheke und des beklagten Online-Marktplatzes. Im Endeffekt wird daher die Aktivlegitimation und damit die täterschaftliche Begehung eines Wettbewerbsverstoßes durch Verletzung des Paragraf 9 HWG bejaht.

Überdies unterstreicht das Gericht, dass ein elektronischer Marktplatzbetreiber für Apotheken, der selbst keine Apotheke betreibt, zwar nicht zu dem im ApoG definierten Adressatenkreis gezählt werden könne. Der Betreiber könne aber dennoch als Gehilfe haften, wenn er die gegen das ApoG verstoßende Tätigkeit einer Versandapotheke unterstützt. Deshalb wurde letztlich auch ein Verstoß gegen Paragraf 11 Absatz 1 ApoG bejaht.

Abschließen sei der Hinweis erlaubt, dass die Umstände des konkreten Falls durch eine große Nähe von Versandapotheke und Online-Marktplatz geprägt sind. Das aktuelle Urteil darf daher nicht ohne kritische Prüfung auf Konstellationen ausgeweitet werden, in denen es an einer solchen Nähebeziehung fehlt. Auch wenn es eine nicht zu übersehende gesetzgeberische Tendenz gibt, Betreiber von Online-Marktplätzen für Inhalte, die auf ihren Plattformen geteilt und/oder gehandelt werden, haftbar zu machen, bedarf es zur Begründung einer solchen (täterschaftlichen) Haftung dem Grunde nach immer einer spezialgesetzlichen Norm. Fehlt diese, so bleibt es bei der Haftung des primär verantwortlichen Nutzers der Plattform.

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