Out-Law News Lesedauer: 1 Min.
24 Jan 2023, 10:21 am
Jörn Fingerhuth, Experte für Hospitality und Hotels bei Pinsent Masons, erklärte, das Urteil bestätige einmal mehr, dass es auf den genauen Wortlaut der Versicherungsbedingungen ankommt.
In dem vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verhandelten Fall (Aktenzeichen IV ZR 465/21) forderte ein Hotelbetreiber aus Niedersachsen aufgrund der teilweisen Einstellung seines Hotelbetriebs während des ersten und zweiten Corona-Lockdowns Entschädigungsleistungen von seinem Versicherer.
Die vereinbarten Bedingungen der Betriebsschließungsversicherung sahen vor, dass bei einer behördlich angeordneten Betriebsschließung aufgrund von meldepflichtigen Krankheiten oder Erregern eine finanzielle Entschädigung gezahlt werde, sofern die Krankheiten, wegen denen die Anordnung erfolgte, im Infektionsschutzgesetz (IfSG) genannt werden.
Anders als im zuvor vom BGH entschiedenen Fall, in dem Versicherungsschutz verneint wurde, gab es in den Versicherungsbedingungen keine Aufzählung der zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses im IfSG genannten Krankheiten, sondern nur den pauschalen Verweis auf das IfSG.
„Dieser ‚kleine‘ Unterschied in der Formulierung hat eine immens große Wirkung“, so Fingerhuth. „Der BGH hat im aktuell entschiedenen Fall Versicherungsschutz im sogenannten zweiten Lockdown zugesprochen, da die Krankheit COVID-19 und der Krankheitserreger SARS-CoV-2 in dieser Phase im IfSG explizit genannt war.“ Für die Phase der ersten Betriebsschließung wurde dem Hotel Versicherungsschutz indes versagt, weil COVID im ersten Lockdown noch nicht im IfSG als meldepflichtige Krankheit aufgeführt war.
Nach Ansicht von Julia Stubert, Expertin für Immobilien, Hospitality und Hotels bei Pinsent Masons, „gibt es daher auch keine pauschale Antwort auf die Frage, ob in der Vergangenheit geschlossene Versicherungen für Betriebsschließungen wegen Corona haften. Es kommt vielmehr auf jedes einzelne Wort in den Versicherungsbedingungen an. Für Neuverträge gilt, genaues Augenmerk auf die Formulierungen zu verwenden, um Unklarheiten zum Versicherungsschutz vorzubeugen.“
Zudem stellt der BGH klar, dass Unklarheiten in Versicherungsbedingungen zu Lasten der Versicherung gehen. Dies ergibt sich aus der sogenannten „Unklarheitenregelung“ des Paragrafen 305c Absatz 2 BGB, wonach Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen.
Im entschiedenen Fall ließ sich den Versicherungsbedingungen nicht entnehmen, auf welche Fassung des Infektionsschutzgesetzes es für den Versicherungsschutz ankommt. Die Versicherer argumentierten im eigenen Interesse, dass sich die Klausel auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Fassung bezog. In der waren weder COVID-19 noch der Krankheitserreger SARS-CoV-2 genannt. Das betroffene Hotel argumentierte hingegen, dass der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls gälte.
Der BGH hat deutlich entschieden, dass diese Auslegungszweifel zu Lasten der Versicherung gehen. Damit können auch Krankheiten, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch unbekannt waren, den Versicherungsfall auslösen, wenn sie beim Eintreten des Versicherungsfalles im IfSG stehen.
Das versicherte Hotel hatte also einerseits Glück, weil Covid im zweiten Lockdown im IfSG genannt war, andererseits Pech, weil dies im ersten Lockdown noch nicht der Fall war, fasst Fingerhuth zusammen. „Auch dies zeigt, wie genau Versicherungen ihre Policen formulieren müssen, um Versicherungsschutz kalkulierbar zu machen. Andererseits sollten Versicherungsnehmer genau hinschauen, welche Risiken konkret von ihrer Versicherung abgedeckt sind.“
Out-Law News
28 Jan 2022