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Wettbewerbshüter nehmen Arbeitsmärkte ins Visier


Die Europäische Kommission will strenger gegen Vereinbarungen von Unternehmen vorgehen, die Absprachen zu Gehältern von Arbeitnehmern betreffen oder das Abwerben von Angestellten verhindern.

Kürzlich hat die Europäische Kommission einen Bericht [7-seitiges PDF/453 KB] veröffentlicht, der die schädlichen Auswirkungen von Gehaltsabsprachen und Abwerbeverboten thematisiert. Daraus ist zu entnehmen, dass die Kommission künftig strenger gegen solche Absprachen vorgehen will, da sie unter das Verbot von Wettbewerbsabsprachen gemäß Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union fallen.

Das Papier steht im Zusammenhang mit Durchsuchungen, die die Kommission im November bei mehreren Unternehmen wegen ihrer Beteiligung an Abwerbeverbotsvereinbarungen durchgeführt hat.

In Zeiten des Fachkräftemangels gewinnt ein fairer Wettbewerb um Talente an Bedeutung. Er rückt damit auch in den Fokus der Wettbewerbshüter“, so Arkadius Strohoff, Experte für Wettbewerbsrecht bei Pinsent Masons. „Das Kartellrecht schützt auch den Wettbewerb zwischen Unternehmen bei der Nachfrage nach Arbeitskräften. Eine Bereichsausnahme gibt es hier nicht. Seit längerer Zeit können wir einen Trend beobachten, dass Wettbewerbsbehörden in der ganzen Welt das Kartellrecht auch im HR-Bereich durchsetzen. Die Europäische Kommission zieht nun mit ihren ersten Fällen nach.“

In Gehaltsabsprachen (sogenannten wage fixing) legen konkurrierende Arbeitgeber Löhne, Gehälter oder andere Arten von Vergütungen oder Leistungen fest und verhindern so, dass sich einzelne Wettbewerber auf dem Arbeitsmarkt durch bessere Entlohnung hervortuen. In Abwerbeverbotsvereinbarungen (sogenannten non compete clauses) verpflichten sich Arbeitgeber, Personal untereinander nicht zu „stehlen“. Hier gibt es zwei Formen von Abwerbeverboten: No-Hire-Vereinbarungen unterbinden grundsätzlich, dass Arbeitnehmer eingestellt werden, die zuvor bei dem anderen Unternehmen beschäftigt waren. No-Cold-Calling-Vereinbarungen schließen nur aus, dass Arbeitgeber aktiv Personal von den anderen an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen abwerben.

„Der Bericht der Kommission macht eines überdeutlich: Bei Gehaltsabsprachen und Abwerbeverboten handelt es sich nicht um ein Kavaliersdelikt“, so Dr. Michael Reich, Experte für Kartellrecht bei Pinsent Masons. „Unternehmen müssen auch im HR-Bereich das Kartellrecht berücksichtigen, wenn sie Sanktionen durch die Aufsichtsbehörden entgehen wollen.“

„Gehalts- und Abwerbeverbotsvereinbarungen stellen in der Regel Beschränkungen im Sinne von Artikel 101 Absatz 1 AEUV dar“, so die Kommission. „Die wettbewerbsfördernden Wirkungen solcher Vereinbarungen müssen zwar berücksichtigt werden, wenn sie nachweislich erheblich sind, doch sind die Nettoeffizienzen ungewiss, und regelmäßig stehen weniger restriktive Mittel zur Verfügung, um sie zu erreichen.“

Dem Papier zufolge handelt es sich bei derartigen Absprachen um eine Art Preiskartell, wobei die Gehaltsfestsetzung als Einkaufspreisfestsetzung und das Abwerbeverbot als eine Form der Aufteilung der Märkte einzustufen ist. Beide Praktiken schaden nach Ansicht der Kommission dem Wettbewerb und den Arbeitnehmern. „Vereinbarungen über die Festsetzung der Gehälter und Abwerbeverbote sind in den meisten Fällen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gemäß Artikel 101 AEUV einzustufen und erfüllen wahrscheinlich nicht die Voraussetzungen für eine Einstufung als notwendige Nebenabrede; außerdem ist es unwahrscheinlich, dass sie die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Artikel 101 AEUV erfüllen“, so die Kommission.

Die Kommission ist der Auffassung, dass mit derartigen Vereinbarungen zwar legitime Ziele verfolgt werden, diese aber auch mit weniger wettbewerbsbeschränkenden Mitteln erreicht werden können, beispielsweise durch Wettbewerbsverbote, Vertraulichkeitsvereinbarungen oder Mindestbeschäftigungsverpflichtungen.

„Das bedeutet, dass manche arbeitsmarktbezogene Absprachen unter bestimmten Bedingungen von den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften ausgenommen werden können“, erläutert Dr. Reich. „Ob sie die Voraussetzungen hierfür erfüllen, muss jedoch genau geprüft werden.“

Die meisten Fälle dürften aufgrund des räumlichen Anwendungsbereichs von den nationalen Wettbewerbsbehörden der EU bearbeitet werden, teilte die EU-Kommission mit. Die Kommission selbst untersucht jedoch auch aktiv Fälle von gemeinschaftsweiter Bedeutung im HR-Sektor und spielt eine koordinierende Rolle im Netzwerk der europäischen Wettbewerbsbehörden (ECN).

Unabhängig davon hat die niederländische Wettbewerbsbehörde vor kurzem angekündigt, dass sie im Rahmen ihrer eingehenden Prüfung von Fusionen im Mediensektor potenzielle Probleme auf dem Arbeitsmarkt untersuchen wird.

Die EU ist nicht die einzige Region, in der das Thema Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt auf der politischen Agenda nach oben rutscht: In den USA hat die Federal Trade Commission am 23. April eine Regelung zum Verbot von Wettbewerbsverbotsklauseln in allen Sektoren erlassen. Nur Spitzen-Führungskräfte sollen von dem umstrittenen Verbot ausgenommen sein. Auch in Großbritannien rücken Abwerbeverbote zunehmen in den Fokus der Wettbewerbsbehörden.

„Der neue Approach der Kommission wird in den kommenden Jahren eine deutliche Auswirkung auf den Personalmärkten zeigen“, so Strohoff. „Für Unternehmen ist es daher entscheidend, auch in diesen Bereichen das Kartellrecht stets im Blick zu haben und sich der Relevanz des Kartellrechts im Bereich der Humanressourcen bewusst zu sein.“

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