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Deutschland setzt Gremium zur Modernisierung des Wettbewerbsrechts ein


Die Bundesregierung hat ein neues Gremium ins Leben gerufen, das Vorschläge für Reformen des Wettbewerbsrechts ausarbeiten soll. Ziel ist dabei die bessere Unterstützung von Digitalunternehmen mit Sitz in Europa.

Die Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 wurde vom Wirtschaftsministerium eingesetzt. Bis Herbst 2019 soll sie konkrete Handlungsempfehlungen zum europäischen Wettbewerbsrecht erarbeiten.

Der Auftrag der Kommission lautet: „Amerikanische und asiatische Internetdienste dominieren die Märkte. Die sieben wertvollsten Unternehmen der Welt sind digitale Plattformunternehmen aus Amerika und China. Mittel- und langfristig sind Strukturreformen erforderlich, die Europas Stellung und Wettbewerbsfähigkeit gerade im Bereich digitaler Märkte auf internationaler Ebene sichern und damit zugleich unseren ökonomischen und gesellschaftlichen Wohlstand bewahren.“

Entsprechend ihres Mandats wird die Kommission das europäische Wettbewerbsrecht bewerten und Empfehlungen zur Behandlung von neun spezifischen Fragestellungen erarbeiten.

Sie wird untersuchen, ob grundlegende Änderungen des wettbewerbsrechtlichen Rahmens erforderlich sind, um in Deutschland und Europa international wettbewerbsfähige Digitalunternehmen zu ermöglichen, und wie Skalierungs- und Kooperationsbedürfnisse deutscher und europäischer Digitalunternehmen im europäischen Wettbewerbsrecht besser berücksichtigt werden können.

Darüber hinaus wird die Kommission prüfen, ob Anpassungsbedarf für Fälle der Kooperation und für Standardisierungsbestrebungen besteht, zum Beispiel im Bereich der Industrie 4.0, dem in Deutschland geprägten Begriff zur Beschreibung der vierten industriellen Revolution, bei der neueste Technologien die Fertigung modernisieren.

Die Kommission wird auch prüfen, ob rechtlicher Anpassungsbedarf beim Zugang zu Daten besteht und wie die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Datenwirtschaft mit den Anforderungen des Datenschutzes in Einklang gebracht werden kann.

Es wird auch darum gehen, welche Änderungen der wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich sind, um mehr Innovationen und Investitionen in Schlüsseltechnologien wie zum Beispiel Künstlicher Intelligenz zu ermöglichen. Die Kommission soll zudem prüfen, ob der zunehmende Einsatz von Algorithmen und KI zum Beispiel für „Matching“- und „Ranking“-Zwecke sowie für dynamische Preissetzungen eine Anpassung des vertragsrechtlichen Ordnungsrahmens erfordert, um faire Märkte mit funktionsfähigem Wettbewerb zu gewährleisten.

Die Kommission wurde auch gebeten zu prüfen, auf welche Weise die wettbewerbsrechtlichen Regeln für „marktstarke Plattformunternehmen“ weiterentwickelt werden können und ob zusätzliche verfahrensrechtliche Instrumente der Kartellbehörden erforderlich sind, um auf sich „dynamisch verändernde Märkte für digitale Plattformen und Unternehmen“ zu reagieren.

Sie wird schließlich auch untersuchen, wie das Zusammenspiel von Kartellrecht einerseits und Lauterkeits-, Verbraucherschutz- sowie Datenschutzrecht andererseits optimiert und besser verzahnt werden kann.

Nach Aussage des Münchner Experten für Wettbewerbsrecht Dr. Michael Reich von Pinsent Masons, der Anwaltskanzlei hinter Out-Law.com, sei fraglich, ob eine verstärkte Regulierung dabei helfen werde, Investitionen in die Entwicklung von Internetdienstleistungen in der EU anzuziehen. 

Die Bildung der Kommission war Anfang des Jahres von der deutschen Koalitionsregierung angekündigt worden. Die Modernisierung des Wettbewerbsrechts war Teil des Koalitionsvertrags zwischen den regierenden Christdemokraten und Sozialdemokraten.

Das neue Gremium besteht aus drei Vorsitzenden und sechs weiteren Mitgliedern. Drei Mitglieder des Deutschen Bundestages haben Rede-, aber kein Stimmrecht. Gemäß ihrem Mandat wird die Kommission auch relevante Industrieunternehmen, darunter Vertreter digitaler Plattformen, anhören.

Das Beratungsunternehmen DICE Consult hat dem Wirtschaftsministerium bereits erste Reformvorschläge vorgelegt. Presseberichten zufolge gehören eine Verschärfung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Fusionen und die Verpflichtung bestimmter Unternehmen, Zugang zu von ihnen gespeicherten Daten zu gewähren, zu den vorgeschlagenen Änderungen.

Nach den vorgeschlagenen Reformen der Rahmenbedingungen für Fusionen könnten Wettbewerbsbehörden Aufkäufe durch solche marktbeherrschenden Unternehmen verbieten, deren Strategie es ist, „systematisch wachstumsstarke Unternehmen in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung aufzukaufen, die ein erkennbares und erhebliches Potenzial haben, zu Wettbewerbern zu werden“, so ein Bericht.

Die Verbesserung des Zugangs zu Daten wird von der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles unterstützt. Sie hat sich für ein neues „Daten-für-Alle-Gesetz“ ausgesprochen. In einem Gastbeitrag für eine deutsche Zeitung sagte Nahles: „Sobald ein Digitalunternehmen einen festgelegten Marktanteil für eine bestimmte Zeit überschreitet, ist es verpflichtet, einen anonymisierten und repräsentativen Teil seines Datenschatzes öffentlich zu teilen.“

Dr. Heike Schweitzer, Professorin für Wettbewerbsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin, war eine der Autorinnen des DICE Consult-Berichts. Sie ist auch eine der drei Vorsitzenden der neuen Kommission Wettbewerbsrecht 4.0.

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