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Auch im Kontext von Schiedsverfahren: Keine Anti-suit Injunction gegen Verfahren in Deutschland


Ein Urteil des OLG Hamm hat erstmalig auch im Kontext von Schiedsverfahren bestätigt, dass ein in Deutschland bereits betriebenes Klageverfahren nicht durch ein im Ausland erwirktes Klageverbot gestoppt werden kann.

Ein deutscher Investor hatte in einem Investitionsschutz-Schiedsverfahren vor einem ICSID-Tribunal einen Schiedsspruch erwirkt, der zu seinen Gunsten gegen einen EU-Staat erging und nun in den USA vollstreckt werden soll. In Reaktion darauf wandte sich der Staat als Kläger an das Landgericht Essen und forderte, dass die Vollstreckung des Schiedsspruchs außerhalb Europas untersagt werde. Der Investor nutzte dieses Verfahren wiederum als Anlass, vor einem US-Gericht die Einstellung des Essener Verfahrens mittels einer sogenannten Anti-suit Injunction zu beantragen, um die Vollstreckung weiter betreiben zu können.

Um dies zu unterbinden, hat der Kläger im Eilrechtsschutz vor dem Landgericht Essen wiederum eine sogenannte „Anti-anti-suit Injunction“ beantragt. In diesem Antrag wurde gefordert, dem beklagten Investor zu untersagen, im Ausland außerhalb der EU gerichtliche Maßnahmen gegen das Essener Verfahren zu ergreifen. In der ersten Instanz lehnte das Landgericht Essen dieses Begehren ab. Das OLG Hamm gab in der zweiten Instanz nach einer mündlichen Verhandlung dem klagenden Staat nun Recht.

Zur Begründung führte das OLG Hamm aus, dass sich ein solcher Verfügungsanspruch vor allem aus dem Justizgewährleistungsanspruch ergebe, der gemäß Paragraf 823 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches einen Schutzcharakter aufweise. Der Versuch, durch gerichtliche Maßnahmen in den USA die Fortführung des anhängigen Verfahrens am LG Essen zu unterbinden, stelle einen solchen Eingriff in diesen Justizgewährungsanspruch und darüber hinaus in die Justizhoheit Deutschlands dar. Es sei nicht hinnehmbar, dass so versucht werde zu verhindern, dass ein angerufenes deutsches Gericht über die Sache entscheiden könne. Das deutsche Gericht allein sollte in der Lage sein, uneingeschränkt über die Zulässigkeit, Begründetheit und alle in diesem Zusammenhang relevanten inhaltlichen Fragen zu entscheiden. Der Verfügungsgrund, nämlich die besondere Dringlichkeit, ergebe sich aus dem Versuch, dem Staat als Kläger „sein“ deutsches Verfahren mittels ausländischer Rechtsbehelfe zu verbieten. Selbst wenn dieses Verfahren nicht mehr anhängig sein sollte, bestehe außerdem jedenfalls eine Wiederholungsgefahr. Tatsächlich hatte der Investor das Verfahren in den USA bis zur Urteilsverkündung in Hamm bereits zurückgenommen.

„Das Verbot solcher Anti-suit Injunctions, wie es nun vom OLG Hamm ausgesprochen wurde, überrascht nicht“, so Franziska Graf und Alexander Shchavelev, Rechtsanwälte bei Pinsent Masons. „Das deutsche Prozessrecht gibt Richtern keine Möglichkeit, einer Partei die Prozessführungsbefugnis vor einem ausländischen Gericht, wie bei Anti-suit Injunctions möglich, in ähnlicher Weise zu entziehen. Dies liegt zum einen daran, dass sie die Zuständigkeit und Souveränität anderer Gerichte beeinträchtigen könnten, was den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gefährdet. Zum anderen wird innerhalb der EU häufig Europarecht als Argument gegen Anti-suit Injunctions vorgebracht. Anti-suit Injunctions widersprechen dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens innerhalb des Systems der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) sowie den gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmungen, die jedem Gericht in der EU die gleiche Sachkenntnis zusprechen. Auch andere deutsche Gerichte haben daher in der Vergangenheit mehrfach Anti-anti-suit Injunctions erlassen, insbesondere in Patentstreitigkeiten. Diese Praxis wurde nun auch im Kontext von Schiedsverfahren bestätigt.“ 

Anti-suit Injunctions, auch bekannt als “Anti-Klage Verfügungen“, sind gerichtliche Anordnungen, die einer Partei verbieten, ein Verfahren vor einem anderen Gericht oder in einem anderen Rechtsraum einzuleiten oder fortzusetzen. Typischerweise wird diese Maßnahme gegen den Kläger einer laufenden Rechtsstreitigkeit ergriffen. Das Ziel einer Anti-suit Injunction ist es, die Partei daran zu hindern, parallel oder konkurrierende Verfahren in verschiedenen Gerichtsbarkeiten zu führen. Im angelsächsischen Rechtsraum, insbesondere den USA, sind Anti-suit Injunctions weit verbreitet. Sie werden oft eingesetzt, um sogenanntes „Forum Shopping“ zu verhindern, bei dem eine Partei bewusst eine Gerichtsbarkeit auswählt, die ihrer Position günstiger erscheint.

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