Out-Law News Lesedauer: 2 Min.
10 Sep 2021, 9:09 am
Impfungen im Betrieb sind für viele Arbeitgeber ein gutes Mittel, um Mitarbeiter vor schweren COVID-19-Verläufen zu schützen und ihnen den Zugang zur Impfung zu erleichtern. Doch jede medizinische Behandlung, und somit auch jede Impfung, birgt auch ein medizinisches Risiko und kann in Ausnahmefällen sogar zu anhaltenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Paragraf 60 des Infektionsschutzgesetzes legt fest, dass der Staat für sogenannte Impfschäden haftet – also mögliche gesundheitliche Schädigungen, die Folge einer staatlich empfohlenen Impfung sind. Dies gilt allerdings nicht für Schäden, die durch Fehler des impfenden Personals entstehen, wie beispielsweise durch mangelnde Aufklärung des Patienten oder mangelhafte Anamnese sowie Versäumnisse bei der Lagerung oder Verabreichung des Impfstoffes. Hier können Arbeitgeber schneller haftbar werden, als sie ahnen.
Ein Arbeitgeber kann für einen Impfschaden haftbar gemacht werden, wenn zwischen ihm und dem geschädigten Arbeitnehmer ein Behandlungsvertrag zustande gekommen ist. Ein Behandlungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann viel schneller zustande kommen, als häufig angenommen wird. Er kann schon bestehen, wenn der Arbeitgeber in eigenem Namen zur Impfung aufruft und die Impfung auch organisiert. Selbst wenn das nicht der Fall ist, kann der Arbeitgeber immer noch für Impfschäden haftbar sein, wenn er die Person, die die Impfung durchführt, nicht ordnungsgemäß ausgewählt hat.
Kommt ein Behandlungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustande, so ist das medizinische Personal als Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers anzusehen und der Arbeitgeber ist für dessen Pflichtverletzungen haftbar.
Im Jahr 2017 hat sich das Bundesarbeitsgericht bereits mit dem Thema beschäftigt. In dem Verfahren ging es um eine betriebliche Grippeimpfung und die Frage, ob der Arbeitgeber die Beschäftigten über gesundheitliche Folgen der Impfung hätte aufklären müssen. Musste er nicht, entschied das Gericht in seinem Urteil (PDF/159KB). Da zwischen dem Arbeitgeber und seinen Beschäftigten kein Behandlungsvertrag zustande gekommen war, war er auch nicht zur Aufklärung verpflichtet und nicht für Impfschäden haftbar. Die Aufklärung oblag einzig und allein dem durchführenden Arzt. Der Arbeitgeber sei lediglich verpflichtet gewesen, die durchführende Person – also den Arzt – ordnungsgemäß auszuwählen. Ganz anders hätte der Fall gelegen, wäre ein Behandlungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustande gekommen – dann wären das medizinische Personal als Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers anzusehen und der Arbeitgeber wäre für sämtliche Pflichtverletzungen, wie mangelnde Aufklärung oder falsche Durchführung, haftbar.
Als Anfang Juni der Startschuss für die COVID-19-Impfungen durch Betriebsärzte fiel, musste es für viele Unternehmen schnell gehen. Impfstoff war knapp und die Zeit der Betriebsärzte hart umkämpft. Bei diesen großen organisatorischen Hürden und dem Wunsch, Beschäftigte und den Betrieb möglichst schnell vor dem Virus zu schützen, blieb für Viele Arbeitgeber kaum Zeit, sich mit den Haftungsrisiken zu befassen.
Doch es lohnt sich auch jetzt noch, die eigenen Haftungsrisiken auf den Prüfstand zu stellen – sowohl für die aktuelle als auch für zukünftige Impfaktionen, wie die im Herbst anstehende Grippe-Impfung oder die derzeit viel diskutierte dritte „Booster“-Impfung gegen COVID-19. Schließlich wird die deutsche COVID-19-Impfkampange nach dem Ende der Impfzentren auf den Schultern der Haus- und Betriebsärzte ruhen.
Um ihr Haftungsrisiko zu minimieren, sollten Arbeitgeber bei Impfungen im Betrieb:
Sollte es für Arbeitgeber unvermeidbar sein, das Impfangebot selbst zu kommunizieren oder zu bewerben, so sollte im selben Atemzug klargestellt werden, dass ein Behandlungsvertrag ausschließlich mit dem externen Dienstleister zustande kommt, der die Impfung durchführt.