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Novelle des Klimaschutzgesetzes sorgt für Kontroverse im Bundestag


Die Neufassung des Klimaschutzgesetzes sieht vor, dass Deutschland schon 2045 CO2-neutral wird und Energiewirtschaft und Industrie ihren CO2-Ausstoß noch schneller als bisher geplant senken. Für Kritik im Bundestag sorgte die mangelnde Abstimmung der Ziele mit der EU.

Der Bundestag hat sich in einer ersten Lesung mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes befasst. Sie sieht vor, dass Deutschland schneller als geplant seinen CO2-Ausstoß verringern und klimaneutral werden soll. Für Kontroversen im Bundestag sorgte unter anderem, dass die neuen Ziele nicht in die Klimaschutz-Pläne der EU eingebettet sind, sondern ihnen vorausgreifen, was später zu Problemen führen könnte, wenn die Pläne Deutschlands in die EU-Strategie integriert werden müssen.

Aktuelles Klimaschutzgesetz in Teilen verfassungswidrig

Das Ende 2019 erlassene Bundes-Klimaschutzgesetz sollte gewährleisten, dass internationale, europäische und nationale Zielvorgaben zum Schutz vor den Auswirkungen des weltweiten Klimawandels eingehalten werden, insbesondere die des Pariser Klimaschutzabkommens. Um diese Zielvorgaben zu erreichen, legt das Klimaschutzgesetz konkrete Maßnahmen fest, wie der CO2-Ausstoß in Deutschland bis 2030 um 55 Prozent – im Vergleich zum Jahr 1990 – verringert werden soll. Bis 2050 soll Deutschland dann vollständig klimaneutral werden. Wie die hierfür notwendige weitere Reduktion in der Zeit zwischen 2031 und 2050 erfolgen soll, war bislang jedoch offen.

Ende April gab das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) seinen Beschluss vom 24. März bekannt, wonach das 2019 erlassene Bundes-Klimaschutzgesetz in Teilen verfassungswidrig ist. Es verpflichtete den Gesetzgeber im selben Atemzug dazu, an dem Gesetz nachzubessern und frühzeitig konkret zu regeln, wie die Treibhausgasreduktion im Zeitraum nach 2030 erreicht werden soll, um sicherzustellen, dass die Reduktionslast gerechter auf die betroffenen Generationen verteilt wird.

Keine zwei Wochen später beschloss das Bundeskabinett einen Entwurf zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes.

Treibhausgasneutralität schon 2045

 

Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes will die Bundesregierung dem Fingerzeig des BVerfG folgen und den Reduktionspfad ab 2030 klarer vorzeichnen. Zudem will die Regierung die Klimaschutzvorgaben verschärfen und im Gesetz verankern, dass Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral wird – somit fünf Jahre vor dem Zieldatum der EU.

Die deutschen Zielvorgaben für die Reduktion von CO2-Emissionen sollen angehoben werden, das Reduktionsziel für 2030 soll von 55 auf mindestens 65 Prozent steigen. Deutschland soll demnach noch in diesem Jahrzehnt seinen Treibhausgas-Ausstoß um 65 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 verringern. Somit wäre das deutsche Reduktionsziel für dieses Jahrzehnt deutlich ambitionierter als das der EU. Die EU hatte ihr Ziel für 2030 erst im Dezember 2020 auf 55 Prozent erhöht, dies wurde im April 2021 vom EU Parlament bestätigt.

Für das Jahr 2040 sieht der neue Entwurf eine Reduktion um mindestens 88 Prozent vor. Auf dem Weg dorthin hält der Entwurf in den 2030er Jahren konkrete jährliche Reduktionsziele fest, um der Forderung des BVerfG zu folgen. Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland dann komplett treibhausgasneutral werden – fünf Jahre früher, als bisher beabsichtigt, und auch fünf Jahre vor der EU.

Ab 2050 will Deutschland dann sogar negative Emissionen vorweisen können: Das heißt, es würde mehr Treibhausgas in natürlichen Senken, wie Wäldern und Mooren, gebunden als ausgestoßen wird.

Ein Expertenrat für Klimafragen soll alle zwei Jahre darüber berichten, wie erfolgreich Deutschland beim Erreichen seiner Ziele ist.

Industrie und Energiewirtschaft besonders betroffen

Die Gesetzesnovelle sieht für die Jahre 2023 bis 2030 konkrete Jahresemissionsmengen für die einzelnen Wirtschaftszweige vor. Um die neuen, ambitionierteren Ziele zu erreichen, sind insbesondere zusätzliche Einsparungen in der Energiewirtschaft und der Industrie vorzusehen – den Sektoren, mit den bislang höchsten CO2-Emissionen. Es ist zudem denkbar, dass der Kohleausstieg weiter vorgezogen wird.

In Ergänzung zu der Novelle des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung ein Sofortprogramm mit unterstützenden Maßnahmen angekündigt. „Schwerpunkte der Maßnahmen liegen in den Bereichen Industrie, klimafreundliche Mobilität, Landwirtschaft und im Gebäudebereich. Ein zusätzliches Fördervolumen im Umfang von bis zu 8 Milliarden Euro ist dafür vorgesehen“, heißt es auf der Website der Bundesregierung.

Dabei knüpft die Bundesregierung teilweise an Maßnahmen an, die bereits vor Bekanntgabe des BVerfG-Beschlusses in Arbeit waren: Angedacht sind unter anderem zusätzliche Fördergelder für Co2-effizientere Gebäude, gerade auch im sozialen Wohnungsbau. Auch die Umstellung der Stahl- und Zementindustrie auf Co2-sparende Produktionsprozesse soll staatlich gefördert werden, ebenso die Produktion von grünem Wasserstoff. Auch das Schienennetz soll weiter ausgebaut und die nachhaltige Landwirtschaft vorangetrieben werden.

Die EU abgehängt?

Mit den neuen Zielen würde Deutschland die EU-Klimaziele bis 2030, auf die sich die Mitgliedstaaten Ende letzten Jahres gemeinschaftlich geeinigt haben, übertreffen. Dabei handelt es sich um einen deutschen Vorstoß. Konkrete Vorschläge der EU-Kommission zu Klimaschutz-Maßnahmen stehen noch aus, die Bundesregierung wollte die EU-Einigungen jedoch nicht abwarten. Voraussichtlich werden die EU-Maßnahmen einen Mix aus CO2-Bepreisungssystemen, Instrumenten zur Förderung erneuerbarer Energien und Methoden zur Steigerung der Energieeffizienz im Transportsektor beinhalten.

Einige Bundestags-Fraktionen sehen den nicht mit der EU abgestimmten Schnellschuss kritisch, da seine Wechselwirkungen mit der europäischen Klimapolitik noch nicht abzusehen sind. Das neue Klimaschutzgesetz würde somit im Jahr 2022 mit den dann feststehenden Vorgaben der EU abgeglichen und gegebenenfalls erneut überarbeitet werden müssen.

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