Out-Law Analysis Lesedauer: 3 Min.

Covid-19 macht die kartellrechtliche Prüfung der 50+1-Regel noch wichtiger


Durch die Corona-Krise sind diverse Fußball-Clubs in Existenznot geraten, die 50+1-Regel erschwert es ihnen zugleich, Kapital von Investoren zu bekommen.

Die 50+1-Regel, die verhindern soll, dass deutsche Profimannschaften von Investoren kontrolliert werden, gilt als eine der sportpolitisch umstrittensten Regelungen in Deutschland. Die Corona-Krise hat die Debatte erneut angefacht: Als der Spielbetrieb plötzlich zum Erliegen kam, bangten einige Vereine schon um ihre Existenz, da Einnahmen durch Übertragungsrechte und Ticketerlöse wegbrachen, und die 50+1-Regel es den Clubs zugleich erschwert, Kapital von Investoren zu beschaffen.

 

Grundsätzlich können Fußballverein seit 1998 ihre Lizenzspielerabteilung als Kapitalgesellschaft ausgliedern, um zusätzliche Gelder, beispielsweise von Investoren, zu gewinnen. Der Deutsche Fußball Bund (DFB) erlaubt einer Kapitalgesellschaft allerdings nur am Fußballbetrieb teilzunehmen, wenn der Mutterverein weiterhin die Mehrheitsbeteiligung hat, also die Mehrheit der Stimmanteile hält. Diese Regel, bekannt als 50+1-Regel, soll verhindern, dass Investoren dem Verein die Entscheidungshoheit abnehmen.

Neuerdings diskutiert man die 50+1-Regel auch im rechtlichen Sinn, denn es könnte sich um eine Wettbewerbsbeschränkung handeln, die gegen das Kartellverbot verstößt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Bosman-Urteil aus dem Jahr 1995 festgestellt, dass der Profifußball Teil des Wirtschaftslebens ist. Dementsprechend unterliegt der Profifußball grundsätzlich auch der kartellrechtlichen Regulierung. Demenstprechend hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) beim Bundeskartellamt beantragt, dass die Regel rechtlich überprüft wird.

Die Kritiker der 50+1-Regel führen ins Feld, dass sie die Handlungsfreiheit der Beteiligten gleich auf mehrere Arten beschränkt: Sie schränke sowohl Fußballkapitalgesellschaften als auch Investoren ein.

Grundsätzlich ist es für Fußballkapitalgesellschaften – wie auch für andere Kapitalgesellschaften – schwieriger, Investoren einzuwerben, wenn diese Investoren auf nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligungen verwiesen werden müssen. Investoren sind naturgemäß eher zu einem Investment bereit, wenn sie ein gewisses Maß an Kontrolle darüber haben, wie ihr Kapital verwendet wird. Zudem verbietet die Regel auch eine gemeinsame Kontrolle durch den Verein und den Investor, bei der beide je 50 Prozent der Stimmanteile halten, also gleichberechtigte Partner sind.

Kritiker führen ins Feld, dass die Regel finanzschwächere Vereine benachteilige und so die finanzstärkeren Vereine vor Wettbewerb schütze, denn gerade finanziell und sportlich weniger erfolgreichen Vereinen mit wenig Strahlkraft sind oft nur dann für Investoren interessant, wenn diese sie auch kontrollieren können.

Man kann in diesem Zusammenhang ins Feld führen, dass Finanzstärke nicht zwingend das Ergebnis vergangener sportlicher oder finanzieller Erfolge sein muss. Im oft bemühten Fall von RB Leipzig ist die Finanzstärke das Ergebnis der Neugründung eines Profivereins, der vom Investor über einen dreiköpfigen Ehrenrat kontrolliert wird. Es lässt sich argumentieren, dass die 50+1-Regel bei einer solchen „Greenfield-Gründung“ einen Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu Traditionsvereinen verschafft.

Es ist daher nicht von der Hand zu weisen, dass die 50+1-Regel wohl eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des nationalen Wettbewerbs im Fußball bewirkt. Damit wäre sie eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Kartellrechts und fiele grundsätzlich unter das Kartellverbot..

Allerdings hat der EuGH im Jahr 2006 in seiner Meca Medina-Entscheidung festgestellt, dass bei Sportverbänden nicht jede Beschränkung der Handlungsfreiheit auch eine Wettbewerbsbeschränkung ist und unter das Kartellverbot fällt. Es kommt vor allem auf den Gesamtzusammenhang an. Wesentliche Fragen, die das Bundeskartellamt zu überprüfen hat, sind: In welchem Kontext wurde die 50+1-Regel beschlossen, welchem Zweck dient sie und sind die mit ihr verbunden Wettbewerbsbeschränkungen wirklich nötig und verhältnismäßig, um diesen Zweck zu erfüllen?

Als Zielsetzung der 50+1-Regel wird meist genannt, dass die Profivereine nicht zum Spekulationsobjekt werden sollen. Darüber hinaus soll verhindert werden, dass Investoren den sportlichen und wirtschaftlichen Wettbewerb verzerren. Schließlich wird angeführt, dass die Identifikation der Fans mit den Vereinen nicht gefährdet werden soll.

Jede dieser drei Zielsetzungen bietet Angriffsflächen. So kann man fragen, ob es tatsächlich Präzedenzfälle gibt, in denen die Möglichkeit einer Beteiligung von 50 Prozent oder mehr dazu geführt hat, dass Profivereine zu Spekulationsobjekten wurden. Zudem ist fraglich, ob nicht auch Minderheitsbeteiligungen dazu führen können, dass Profivereine zu Spekulationsobjekten werden. Und wird der Wettbewerb tatsächlich verzerrt, wenn alle besseren Zugang zu finanziellen Ressourcen haben? Nicht zuletzt kann man auch hinterfragen, ob bei Profivereinen mit Beteiligung eines Investors von 50 % oder mehr nachhaltige Identifikationsprobleme für die Fans bestanden.

Am Ende bleibt möglicherweise die Frage, ob ein derart unklares Erfahrungsbild einen wettbewerbsbeschränkenden Eingriff durch die 50+1-Regel überhaupt rechtfertigt. Dabei wäre zu prüfen, ob die 50+1-Regel erforderlich und verhältnismäßig ist, um die genannten Ziele zu erreichen.

Selbst wenn die 50+1-Regel eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des AEUV ist, könnte sie trotzdem vom Kartellverbot ausgenommen sein, und zwar dann, wenn sie zu Vorteilen führt, die auch an den Endverbraucher weitergegeben werden – in diesem Fall also an die Fußballfans.

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