Werbeblocker (Adblocker) dürfen in Deutschland uneingeschränkt angeboten werden. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach diese Programme nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen.

In dem BGH-Verfahren ging der deutsche Verlagsriese Axel Springer gegen den Einsatz eines durch das Kölner Unternehmen Eyeo entwickelten Werbeblockers vor. Eyeo vertreibt das Werbeblockerprogramm Adblock Plus. Werbeeinnahmen sind für die Geschäftsmodelle vieler Anbieter von Online-Inhalten von zentraler Bedeutung. Durch den Einsatz von Adblockern können Nutzer jedoch die Anzeige von Werbung auf von ihnen besuchten Seiten unterbinden.

Axel Springer hatte den Einsatz von Werbeblockern und die Praxis des sogenannten „Whitelistings“ mit Verweis auf das deutsche Wettbewerbsrecht angefochten. Beim Whitelisting lassen Anbieter von Werbeblockern die Anzeige von Werbung solcher Unternehmen zu, die ihnen hierfür eine Gebühr zahlen.

Der Bundesgerichtshof urteilte, dass der Einsatz von Werbeblockern nicht als rechtswidrig anzusehen sei. Es sei auch zulässig, dass Anbieter von Werbeblockern eine sogenannte „Whitelist“ führen und von Unternehmen eine Gebühr für die Aufnahme ihrer Anzeigen in diese Liste verlangen, so ein Bericht der Nachrichtenagentur Reuters.

Axel Springer hat bereits angekündigt, den Fall an das Bundesverfassungsgericht weiterzuziehen.

Dr. Claas-Hendrik Soehring, Leiter des Bereichs Content und Wirtschaftsrecht bei Axel Springer: „Wir sehen im heutigen Urteil eine Verletzung der über Artikel 5 Grundgesetz geschützten Pressefreiheit, weil Werbeblocker die Integrität von Onlinemedien und deren Finanzierung gezielt zerstören. Programme wie ‚Adblock Plus‘ gefährden die Qualität und Vielfalt von Informationsangeboten und verletzen damit auch die Interessen der Allgemeinheit. Hier geht es um einen Eingriff in den Kern der freiheitlichen Medienordnung. Wir werden Verfassungsbeschwerde erheben.“

Adblock Plus äußerte sich „sehr zufrieden“ mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs.

„Dieses Urteil bestätigt wie bereits zuvor die Urteile der Oberlandesgerichte München und Hamburg, dass der Einsatz von Adblockern in Deutschland rechtmäßig ist“, so Adblock Plus.

Der Bundesgerichtshof hob mit seinem Urteil eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln auf, das die Erhebung von Gebühren für die Teilnahme großer kommerzieller Verlage an ihrem Whitelist-Service als aggressive geschäftliche Handlung im Sinne des Wettbewerbsrechts angesehen hatte.

„Wir freuen uns sehr, dass Deutschlands oberstes Gericht das Recht jedes Internet-Nutzers auf Unterbindung unerwünschter Online-Werbung gutgeheißen hat“, sagte Adblock Plus. „Wie schon seit 2014 werden wir auch weiterhin für die Nutzerrechte in Deutschland und auf der ganzen Welt kämpfen.“

Die Münchner Expertin für Technologierecht Nadia Hammouda von Pinsent Masons, der Anwaltskanzlei hinter Out-Law.com, kommentiert das Urteil wie folgt: „Die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Zulässigkeit von Software zur Unterdrückung von Werbung befasst sich mit den veränderten Formen der Mediennutzung durch die Verbraucher. Nach diesem Urteil müssen sich Verlage und Werbetreibende wohl mit dem breiten Einsatz von Werbeblockern mit kostenpflichtigen Whitelists abfinden und nun andere geeignete Maßnahmen ergreifen, um die von ihnen angebotenen Dienste und Inhalte zu monetarisieren. Solche Maßnahmen könnten Paywalls und so genannte ‚Walled Gardens‘ sein, mit denen der Zugriff durch Nutzer mit aktivierten Werbeblockern auf bestimmte Bereiche der Webseiten der jeweiligen Verlage verhindert wird.“

„Dementsprechend müssen die betroffenen Geschäftsmodelle mehr Wert auf kostenpflichtige Inhalte in hoher Qualität sowie auf maßgeschneiderte Dienste legen, um Nutzer weiterhin an sich zu binden. Andererseits erwarten wir, dass das Angebot kostenloser und qualitativ hochwertiger Inhalte aufgrund zunehmender Einbußen bei den Werbeeinnahmen stetig abnehmen wird. Diese Entwicklungen sind auch im Zusammenhang mit der bevorstehenden neuen ePrivacy-Verordnung der EU zu sehen, aus der sich weitere Hürden für die Generierung von Einnahmen durch Online-Werbung ergeben könnten. Wir beobachten jedoch immer mehr innovative Konzepte im Online-Markt, die schon heute florierende Geschäftsmodelle unter Einbeziehung der veränderten Gewohnheiten der Verbraucher entwickeln“, so Hammouda.

Diane Mullenex von Pinsent Masons, einem Spezialisten für Regulierungsfragen im Telekommunikationsbereich, hatte bereits zuvor darauf hingewiesen, dass die Debatte über Werbeblocker sowohl für Geschäftsmodelle im Telekommunikationssektor als auch für solche im Verlagswesen relevant ist.

Mullenex: „Falls Werbeblocker für rechtlich zulässig erklärt werden.... könnten Anbieter von Inhalten gezwungen sein, neue Managed Service Agreements mit Telekom-Netzbetreibern abzuschließen. Durch diese würden Werbebeschränkungen aufgehoben und eine reibungslose Bereitstellung von Inhalten an die Endkonsumenten sichergestellt, wobei die Anbieter von Inhalten als Gegenleistung hierfür mehr für die Wartung und Entwicklung von Netzwerken zahlen. Die Abkommen müssten mit den neuen EU-Vorschriften zur Netzneutralität in Einklang stehen.“

Bemerkenswert sei nach Ansicht von Hammouda das Urteil des Bundesgerichtshofs in der jüngsten Rechtssache auch deswegen, weil das Gericht zum ersten Mal Filmaufnahmen während einer mündlichen Urteilsverkündung erlaubt habe.

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