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Reform des Unternehmensstrafrechts geht in die ‚heiße Phase‘


Nach Kritik durch den Bundesrat hat die Bundesregierung den Gesetzesentwurf zum Verbandssanktionsgesetz (VerSanG) nunmehr in den Bundestag eingebracht. Einige Vorschläge des Bundesrates sollen im Parlament diskutiert werden.

Das Gesetz soll die Haftung von Unternehmen in Fällen von Wirtschaftskriminalität neu regeln und wurde im Vorfeld sowohl durch Wirtschafts- und Anwaltsverbände als auch durch den Bundesrat kritisiert. Letzterer hatte im September über den Entwurf beraten.

 

„Die zeitnahe Einbringung des Gesetzentwurfes nach der Stellungnahme des Bundesrates in den Bundestag zeigt einmal mehr den Willen des Gesetzgebers, trotz aller Kritik am Vorhaben festzuhalten und das neue Unternehmensstrafrecht noch in dieser Legislaturperiode, vielleicht sogar noch in diesem Jahr, zu verabschieden“, so Dr. Eike W. Grunert, Experte für Compliance bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law.

Die ursprünglich von zwei Fachausschüssen des Bundesrates vorgeschlagene Generalablehnung des Entwurfs fand nicht die erforderliche absolute Mehrheit im Plenum. Stattdessen drängte der Bundesrat darauf, dass der Entwurf überarbeitet werden soll. In seiner Stellungnahme wies er auf Änderungs- oder Streichungsbedarf an mehreren Stellen hin. Prüfungsbedürftig sei vor allem, ob die vorgesehenen Verantwortlichkeiten und Sanktionen kleinere und mittlere Unternehmen überfordern.  

„Positiv ist, dass die Bundesregierung einige zu begrüßende Vorschläge des Bundesrates zumindest prüfen will“, so Dr. Jochen Pörtge, Experte für Wirtschaftsstrafrecht bei Pinsent Masons. „Dazu zählen insbesondere die genauere Beschreibung von Vorgaben an Compliance-Maßnahmen, die Ausgestaltung der Kriterien für eine Veröffentlichung von Verurteilungen, eine weitere Ausdifferenzierung der Einstellungsgründe und die Verlängerung der Übergangsfrist von zwei auf drei Jahre.“

Der Bundesrat hatte kritisiert, dass durch die Einführung des Legalitätsprinzips Staatsanwaltschaften und Gerichte wesentlich mehr Verfahren – teils auch wegen kleineren Vergehen – einleiten müssten als bisher und so überlastet würden. Daher hatte der Bundesrat vorgeschlagen, die Möglichkeit zur Einstellung von Verfahren zu erweitern, worüber nun im Bundestag beraten werden soll.

Zudem hatte der Bundesrat darauf gedrängt, die Übergangszeit von zwei auf drei Jahre zu verlängern, damit die durch die Corona-Krise bereits belasteten Unternehmen mehr Zeit bekämen, um nötige Compliance-Maßnahmen zu ergreifen. Auch dieser Vorschlag soll im Bundestag diskutiert werden.

Experten halten auch eine Frist von drei Jahren für eng bemessen: „Unternehmen sind gut beraten, die Angemessenheit ihrer Compliance-Maßnahmen jetzt zu überprüfen und erforderlichenfalls nachzuschärfen. Die gesetzlich vorgesehene Übergangsfrist von zwei oder drei Jahren bis zum Inkrafttreten ist knapp“, so Dr. Grunert.

Andere Vorschläge des Bundesrates lehnt die Regierung jedoch ab, etwa die Aufforderung, den verfahrensrechtlichen Teil des Verbandssanktionsgesetzes so zu überarbeiten, dass Sanktionsverfahren effektiver und weniger missbrauchsanfällig werden, um einer „drohenden Überlastung der Justiz vorzubeugen.“

Die Bundesregierung begründet diese Entscheidung damit, dass ein Sonderstrafverfahrensrecht für das Sanktionsverfahren – wie es der Bundesrat vorschlägt – die Justiz noch stärker beanspruchen werde. Der Entwurf baue auf der bewährten Vorgehensweise der Strafprozessordnung auf. Hinzu komme, „dass bei Umsetzung des Bundesratsvorschlags für den Individualtäter ein anderes Verfahrensrecht gelten würde als für den – oft gleichzeitig verfolgten – Verband“, heißt es in einer Anlage des aktuellen Gesetzesentwurfs.

Insgesamt sieht der Gesetzesentwurf vor, die Sanktionsmöglichkeiten bei Unternehmensstraftaten zu verschärfen und zusätzliche Anreize für Compliance-Maßnahmen zu schaffen: Für einen Verband mit einem durchschnittlichen weltweiten Gruppen-Jahresumsatz von mehr als hundert Millionen Euro könnte die Verbandsgeldsanktion demnach bis zu zehn Prozent dieses Umsatzes betragen. Für Unternehmen mit einem niedrigeren Jahresumsatz würde die Höhe der Verbandsgeldsanktion bis zu zehn Millionen Euro betragen. Das Bemühen des Verbands, die Straftat aufzudecken und den Schaden wiedergutzumachen, kann die Verbandssanktion laut Gesetzesentwurf verringern. Auch getroffene Compliance-Maßnahmen, die künftig Straftaten vermeiden und aufdecken sollen, können sanktionsmindernd berücksichtigt werden.

Das neue Gesetz soll ausschließlich für Verbände gelten, „deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist.“ Gemeinnützige Organisationen wären somit nicht betroffen. Auch bei bloßen Ordnungswidrigkeiten soll das neue Gesetz nicht angewendet werden.

Der Entwurf beinhaltet zwei Arten von Verbandssanktionen: die Verwarnung mit Sanktionsvorbehalt und die Verbandsgeldsanktion in Höhe von zehn Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes oder bis zu zehn Millionen Euro bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 100 Millionen Euro.

Wann genau der Gesetzesentwurf im Bundestag behandelt wird, steht noch nicht fest.

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