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Autohersteller wegen Ausstieges aus der Produktion von Verbrennungsmotoren vor Gericht


Ein Biobauer aus Detmold hat mit Unterstützung von Greenpeace Klimaklage gegen einen großen deutschen Automobilhersteller eingereicht. Bei der ersten mündlichen Verhandlung äußerte das Gericht jedoch Zweifel an der Klage.

Der Bio-Landwirt Ulf Allhoff-Cramer hat vor dem Landgericht Detmold Klage gegen Volkswagen eingereicht. Er will den Autobauer mittels einer Unterlassungsklage dazu verpflichten, aus Klimaschutzgründen die Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor bis zum Jahr 2030 einzustellen. Unterstützt wird er hierbei von Greenpeace.

 

Allhoff-Cramer stammt aus dem Kreis Lippe und betreibt mit seiner Familie einen Biobauernhof mit Ackerbau, Mutterkuhhaltung und Forstwirtschaft. Vor Gericht will er geltend machen, dass der zweitgrößte Autobauer der Welt aufgrund der CO2-Emmissionen seiner Fahrzeuge mitverantwortlich sei für Schäden, die durch Dürren und Starkregen für seinen Betrieb, Hof und Wald entstanden sind.

Allhoff-Cramer argumentiert, der Autobauer beeinträchtige ihn durch die klimabezogenen Folgen seiner Geschäftstätigkeit „in zentralen Rechtsgütern wie Eigentum, Gesundheit und dem Recht auf Erhalt treibhausgasbezogener Freiheit“, teilte das LG Detmold im Vorfeld der Verhandlung mit. Der Biobauer wolle mit seiner Klage erreichen, dass der Autobauer „in dem Zeitraum von 2021 bis einschließlich 2029 maximal 25 Prozent der konzernweit verkauften Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren bestücken darf, ab 2030 gar keine mehr, und dass die Beklagte ihre CO2-Emisisonen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 2018 senken muss.“

In der heutigen mündlichen Verhandlung äußerte sich das Landgericht Detmold kritisch zu der Klage. Es sei von dem Kläger konkret darzulegen, welche Beeinträchtigungen er erfahre und welche seiner Rechte durch die CO2-Emissionen verletzt würden. In Bezug auf sein Eigentumsrecht sei dies nicht zu erkennen, gleiches gelte für die Gesundheit. In Bezug auf das Recht auf Erhalt „treibhausgasbezogener Freiheit“, auf das sich Allhoff-Cramer unter anderem stützt, erkundigte sich der Vorsitzende Richter, was hierunter konkret zu verstehen sei. Die Kammer habe Zweifel, ob ein solches Recht anerkannt werden könne.

Der Begriff des „Rechts auf treibhausgasbezogene Freiheit“ bezieht sich auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) aus dem letzten Jahr. Mit seiner Entscheidung hatte das Gericht den Gesetzgeber dazu verpflichtet, das Bundes-Klimaschutzgesetz zu ändern. Es sei in Teilen verfassungswidrig, da es nicht klar genug regle, wie die gesetzlich vorgesehene Treibhausgasreduktion im Zeitraum nach 2030 erreicht werden soll. Hierdurch würden die Freiheitsrechte der teils noch sehr jungen Beschwerdeführer verletzt, da hohe Emissionsminderungslasten auf Zeiträume nach 2030 verschoben würden. In seiner Entscheidung stützte sich das BVerfG insbesondere auf Artikel 20a des Grundgesetzes, der besagt: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Das Landgericht Detmold verwies jedoch darauf, dass Artikel 20a kein Grundrecht konstituiere.

Außerdem sah das Landgericht Detmold Probleme im Hinblick auf die Kausalität. So sei zum Beispiel unklar, wie und ob dem Autobauer der CO2-Ausstoß und die damit verbundenen Folgen zuzurechnen seien. Zudem stelle sich auch die Frage, ob die einzelnen Konzerngesellschaften dem Mutterkonzern zugerechnet werden könnten. Auch gebe es keine konkreten Vorgaben und keine konkreten Budgets für Treibhausgase, sodass eine rechtswidrige Handlung der Beklagten höchst fraglich sei. Für verbindliche Vorgaben sei der Gesetzgeber zuständig und nicht das Gericht.

Zudem verwies das Gericht darauf, dass – sofern tatsächlich ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch bestünde – es immer noch dem Autobauer überlassen sei, in welcher Form er die Beeinträchtigung an Allhof-Cramers Eigentum abstelle. 

Allhof-Cramers Anwältin erklärte, die konkrete Darlegung sei aus Klägersicht bereits erfolgt. Die geltend gemachten Rechtsgutsverletzungen seien bereits spürbar eingetreten und auch wissenschaftlich nachweisbar. Nötigenfalls sei dies durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu klären.

Allhof-Cramer und seine Anwälte haben nun bis zum 30. Juni Zeit, schriftlich auf die Hinweise des Gerichts einzugehen. Die Gegenseite kann anschließend innerhalb von sechs Wochen Stellung dazu nehmen. Am 9. September will das Landgericht Detmold dann eine Entscheidung in der Sache verkünden.

Bei den deutschen Gerichten sind noch weitere Verfahren gegen deutsche Autobauer anhängig. So hat im Oktober 2021 die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Klimaklage gegen Mercedes Benz und BMW erhoben. Auch die DUH fordert das Aus für den Verbrennungsmotor bis 2030. Die Klagen wurden bei den Landgerichten in Stuttgart und München eingereicht. Die EU bereitet derweil einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor für das Jahr 2035 vor. Auch die Klima-Aktivistin Clara Mayer und die Greenpeace Geschäftsführer Roland Hipp und Martin Kaiser haben im November 2021 am Landgericht Braunschweig Klage (125 Seiten/1,4KB) gegen VW eingereicht – auch sie wollen ein früheres Aus für den Verbrennungsmotor durchsetzen.

Klimaklagen nehmen weltweit zu und werden immer variantenreicher, sowohl, was ihre rechtliche Begründung angeht, als auch in der Auswahl der Klagegegner. Experten gehen davon aus, dass die Zahl der Klagen steigt, da die Gesellschaft zunehmend die Verantwortlichkeit des Menschen für den Klimawandel anerkennt. Dementsprechend sei für Unternehmen das Risiko, in eine Klimaklage verwickelt zu werden, in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Zudem haben Gerichtsentscheidungen in Klimaverfahren den Akteuren gezeigt, dass Klimaklagen als Instrument genutzt werden können, um eine klimafreundliche Agenda mit Hilfe des Rechts durchzusetzen.

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