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21 Dec 2022, 5:49 pm
Das Bundesarbeitsgericht hat gestern entschieden, dass der Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern nicht automatisch nach drei Jahren verjährt, wenn diese ihn nicht wahrnehmen. Vielmehr müssen Arbeitgeber auf die drohende Verjährung ausdrücklich hinweisen.
In dem Fall einer Steuerfachangestellten, die über zwanzig Jahre beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt war und im Laufe der Zeit den Anspruch auf insgesamt 101 Urlaubstage angehäuft hatte, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) gestern entschieden, dass ein etwaiger offener Urlaubsanspruch nicht automatisch nach drei Jahren verjährt. Der Anspruch verjährt laut BAG nur dann, wenn Arbeitgeber ihre Beschäftigten rechtzeitig auffordern, ihren Urlaub zu nehmen und sie vor einer drohenden Verjährung warnen. Dies gilt laut BAG auch dann, wenn die betroffenen Arbeitnehmer lange krank waren und deswegen nur einen Teil ihres Urlaubsanspruches wahrnehmen konnten.
Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt laut BAG „erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.“
Im Vorfeld des Urteils hatte das BAG den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Der EuGH war zu dem Schluss gekommen, dass Arbeitgeber aktiv auf eine mögliche Verjährung der Urlaubstage hinweisen müssen und nicht untätig bleiben dürfen, wenn sich abzeichnet, dass Urlaubsansprüche erlöschen.
„Nach der wegweisenden Entscheidung des EuGH von September 2022 steht nun auch von Seiten der deutschen Rechtsprechung eindeutig fest, dass der gesetzliche Urlaub eines Arbeitnehmers nicht ohne Weiteres verfallen kann“, so Gabriele Kaderka, Expertin für Arbeitsrecht bei Pinsent Masons.
Der EuGH begründete dies damit, dass der Zweck der Verjährungsvorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch – nämlich die Gewährleistung von Rechtssicherheit – hinter einem anderen, höher zu gewichtenden Recht zurücktrete, nämlich dem Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers gemäß Artikel 31 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
Auch die Vorinstanz, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, war bereits zu dem Schluss gekommen, dass der Arbeitgeber auf entsprechende Fristen hätte hinweisen müsse. Der Arbeitgeber ging jedoch vor dem BAG in Revision – und unterlag.
Da die Steuerfachangestellte schon nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses 14 Urlaubstage von ihrem Arbeitgeber ausbezahlt bekommen hatte, bedeutet das Urteil des BAG nun für sie, dass auch die restlichen ausstehenden Urlaubstage vollumfassend abgegolten werden müssen.
„Aufgrund des Urteils des BAG sind Arbeitgeber gut beraten, ihre Arbeitnehmer jedes Jahr zum Jahresende auf ihre offenen Urlaubsansprüche und die damit einhergehenden Verjährungsfristen hinzuweisen“, rät Kaderka. „In formeller Hinsicht bleibt die Durchführung des Hinweises dem Arbeitgeber überlassen – er sollte jedoch unbedingt nachvollziehbar und nachweisbar sein.“