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Hinweisgeberschutz-Gesetz tritt Anfang Juli in Kraft

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Das Hinweisgeberschutz-Gesetz wurde am Freitag im Bundesgesetzesblatt verkündet und tritt am 2. Juli in Kraft.

Das Hinweisgeberschutz-Gesetz wurde im Mai von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Es setzt die Hinweisgeberschutz-Richtlinie der EU aus dem Jahr 2019 in deutsches Recht um, geht jedoch über die Vorgaben der Richtlinie hinaus, da nicht nur die Meldung von Verstößen gegen EU-Recht unter Schutz gestellt wird, sondern auch Meldungen von Verstößen gegen deutsches Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht.

Durch das Gesetz soll es Hinweisgebern in Unternehmen und Behörden möglich werden, auf Missstände und Gesetzesverstöße hinzuweisen. Hierzu müssen interne und (staatliche) externe Meldestellen eingerichtet werden, an die sich Hinweisgeber wenden können. Außerdem sollen Hinweisgeber gegen Repressalien aufgrund von gutgläubigen Meldungen geschützt werden.

Der Weg zum Hinweisgeberschutzgesetz war steinig: Nachdem eine vom Bundestag beschlossene Fassung des Gesetzes am 10. Februar nicht die notwendige Zustimmung durch den Bundesrat erhalten hatte, musste der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen werden, um eine Einigung zu erzielen. Zudem hat die Europäische Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt, da es versäumt hatte, die Richtlinie fristgerecht umzusetzen.

Am 9. Mai hatte der Vermittlungsausschuss dann eine Einigung erzielt, das Gesetz wurde kurz darauf in der vom Vermittlungsausschuss empfohlenen Fassung vom Bundestag beschlossen. Auch der Bundesrat stimmte anschließend dem Gesetz zu.

„Die finalen Änderungen durch den Rechtsausschuss betreffen im Kern lediglich Nuancen und sind in ihrer praktischen Auswirkung überschaubar“, so Eike W. Grunert, Experte für Compliance bei Pinsent Masons. „Allerdings wurde die Frist für das Inkrafttreten von drei Monaten auf einen Monat nach Verkündung verkürzt, was insbesondere für Unternehmen mit in der Regel mehr als 249 Beschäftigten erheblich weniger Zeit zur Umsetzung bedeutet.“ Ansonsten bleibt der Anwendungsbereich des Gesetzes unverändert, das heißt, er geht auch weiterhin über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus: Das Hinweisgeberschutz-Gesetz schützt sowohl Whistleblower, die Verstöße gegen EU-Rechtsakte melden, als auch solche, die Straftaten und bestimmte Ordnungswidrigkeiten gemäß deutschem Recht melden, soweit die Vorschriften zum Schutz von Leben, Leib, Gesundheit, Rechte der Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen.

Gegenüber der ursprünglich vom Bundestag beschlossenen Fassung sieht die finale Fassung weitere geringfügige Anpassungen vor: Externe und interne Meldestellen sind nicht mehr dazu verpflichtet, ihre Meldekanäle so einzurichten, dass auch anonyme Meldungen möglich sind. Dennoch sollen auch anonyme Meldungen bearbeitet werden, interne wie externe Meldestellen sind hierzu jedoch nicht mehr verpflichtet.

„Unternehmen sind nach wie vor gut beraten, gerade auch anonymen Meldungen sorgfältig nachzugehen und ihre Meldewege entsprechend auszugestalten, auch wenn dies nicht mehr verpflichtend ist“, so Grunert. „Die Erfahrung lehrt, dass gerade besonders ernste Missstände zunächst nur anonym gemeldet werden. Dies sollte auch für die staatlich betriebenen externen Meldestellen gelten.“

Zudem sollen Hinweisgeber die Meldung bei einer internen Meldestelle bevorzugen, wenn „intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann“ und keine Repressalien befürchtet werden.

Grunert beurteilt die praktischen Relevanz dieser Änderung mit Zurückhaltung: „Es ist fraglich, ob sich Hinweisgeber nun deshalb bevorzugt an die interne Meldestelle wenden werden, weil sie damit rechnen, das Unternehmen werde intern wirksam gegen den Verstoß vorgehen und sie hätten keine Repressalien zu befürchten. Nach der Erfahrung sind Hinweisgeber in aller Regel besonders loyale Mitarbeiter, die Missstände ohnehin zuerst intern anprangern, damit das Unternehmen Abhilfe schafft. Diese Änderung schafft jedoch weitere Anreize für Unternehmen, die interne Meldestelle für ihre Mitarbeiter ‚attraktiv‘ zu gestalten, einschließlich der einfachen Zugänglichkeit und Bedienung. Zudem sollten Unternehmen intern positiv kommunizieren und den Beschäftigten klar machen, dass Hinweise ernst genommen werden, Hinweisen nachgegangen wird, Abhilfe geschaffen wird und Hinweisgeber keine Repressalien zu befürchten haben.“

Zudem beträgt der Bußgeldrahmen in Fällen, in denen Meldungen behindert oder Repressalien ergriffen werden, nunmehr maximal 50.000 statt 100.000 Euro. Der Schmerzensgeldanspruch für Hinweisgeber wurde gestrichen.

Das Gesetz sieht im Fall von Rechtsstreitigkeiten darüber, ob ein Hinweisgeber mit Repressalien belegt wurde, nach wie vor eine Beweislastumkehr vor. Das heißt, dass das Unternehmen im Streitfall belegen muss, dass es den Hinweisgeber nicht aufgrund seiner Meldung benachteiligt hat. Bei dieser Regelung soll es bleiben, allerdings nur, wenn der Hinweisgeber explizit geltend macht, wegen des Hinweises eine Benachteiligung erlitten zu haben.

„Aufgrund der gesetzlichen Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers besteht ein erhöhtes Prozessrisiko für Unternehmen bei etwaigen Rechtsstreitigkeiten mit Hinweisgebern“, so Sarah Klachin, Expertin für Arbeitsrecht bei Pinsent Masons. „Die Beweislastumkehr birgt eine gewisse Missbrauchsgefahr, die für Unternehmen eine exakte Dokumentation ihrer Handlungen gegenüber Hinweisgebern erforderlich macht.“

Klachin weist zudem darauf hin, dass in kollektivarbeitsrechtlicher Sicht verschiedene erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Betracht kommen. „Unternehmen mit Betriebsrat sollten sich daher zeitnah mit ihrem Betriebsrat zusammensetzen und diesen bei der Umsetzung des HinSchG einbinden. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung bietet sich in jedem Fall an“, so Klachin.

Die Nichteinrichtung einer Meldestelle kann erst sechs Monate nach Inkrafttreten mit einem Bußgeld belegt werden. Für kleinere Unternehmen mit in der Regel 50 bis zu 249 Mitarbeitern gilt für die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle eine Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023. Unternehmen mit in der Regel weniger als 50 Mitarbeitern sind von den neuen Vorgaben ohnehin nicht erfasst.

 

AKTUALISIERUNG: Dieser Beitrag wurde am 7. Juni 2023 aktualisiert, um Informationen zum Inkrafttreten des Gesetzes mit aufzunehmen.

 

Download: Leitfaden zum Whistleblowing-Gesetz (2-Seiten / 252KB PDF)

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