Bundestag beschließt Hinweisgeberschutz-Gesetz

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Out-Law News | 11 May 2023 | 4:15 pm | Lesedauer: 3 Min.

Heute hat der Bundestag das Hinweisgeberschutz-Gesetz beschlossen, nachdem der Vermittlungsausschuss eine Einigung hierzu erzielt hatte.

Mit der Hinweisgeberschutz-Richtlinie aus dem Jahr 2019 will die EU den Schutz von Whistleblowern in allen Mitgliedstaaten verbessern. Das Hinweisgeberschutz-Gesetz soll die Richtlinie in Deutschland nunmehr umsetzen, geht jedoch über die Vorgaben der Richtlinie hinaus, da nicht nur die Meldung von Verstößen gegen EU-Recht unter Schutz gestellt wird, sondern auch Meldungen von Verstößen gegen deutsches Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Durch das Gesetz soll es Hinweisgebern in Unternehmen und Behörden möglich werden, auf Missstände und Gesetzesverstöße hinzuweisen. Hierzu müssen interne und (staatliche) externe Meldestellen eingerichtet werden, an die sich Hinweisgeber wenden können. Außerdem sollen Hinweisgeber gegen Repressalien aufgrund von gutgläubigen Meldungen geschützt werden.

Nachdem eine vom Bundestag beschlossene Fassung des Gesetzes am 10. Februar nicht die notwendige Zustimmung durch den Bundesrat erhalten hatte, wurde der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen, um eine Einigung zu erzielen. Zudem hat die Europäische Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt, da es versäumt hat, die Richtlinie fristgerecht umzusetzen.

Am Dienstag dieser Woche hat der Vermittlungsausschuss eine Einigung erzielt, das Gesetz wurde heute in der vom Vermittlungsausschuss empfohlenen Fassung vom Bundestag beschlossen. Mit einer Zustimmung des Bundesrates an diesem Freitag (12. Mai 2023) wird gerechnet, das Gesetz tritt dann einen Monat nach Verkündung in Kraft, also circa Mitte Juni.

„Die finalen Änderungen durch den Rechtsausschuss betreffen im Kern lediglich Nuancen und sind in ihrer praktischen Auswirkung überschaubar“, so Eike W. Grunert, Experte für Compliance bei Pinsent Masons. Insbesondere der Anwendungsbereich des Gesetzes bleibt unverändert, das heißt, er geht auch weiterhin über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus: Das Hinweisgeberschutz-Gesetz schützt sowohl Whistleblower, die Verstöße gegen EU-Rechtsakte melden, als auch solche, die Straftaten und bestimmte Ordnungswidrigkeiten gemäß deutschem Recht melden, soweit die Vorschriften zum Schutz von Leben, Leib, Gesundheit, Rechte der Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen.

Gegenüber der ursprünglich vom Bundestag beschlossenen Fassung sieht die finale Fassung geringfügige Anpassungen vor: Externe und interne Meldestellen sind nicht mehr dazu verpflichtet, ihre Meldekanäle so einzurichten, dass auch anonyme Meldungen möglich sind. Dennoch sollen auch anonyme Meldungen bearbeitet werden, interne wie externe Meldestellen sind hierzu jedoch nicht mehr verpflichtet.

„Unternehmen sind nach wie vor gut beraten, gerade auch anonymen Meldungen sorgfältig nachzugehen und ihre Meldewege entsprechend auszugestalten, auch wenn dies nicht mehr verpflichtend ist“, so Grunert. „Die Erfahrung lehrt, dass gerade besonders ernste Missstände zunächst nur anonym gemeldet werden. Dies sollte auch für die staatlich betriebenen externen Meldestellen gelten.“

Zudem sollen Hinweisgeber die Meldung bei einer internen Meldestelle bevorzugen, wenn „intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann“ und keine Repressalien befürchtet werden.

Grunert beurteilt die praktischen Relevanz dieser Änderung mit Zurückhaltung: „Es ist fraglich, ob sich Hinweisgeber nun deshalb bevorzugt an die interne Meldestelle wenden werden, weil sie damit rechnen, das Unternehmen werde intern wirksam gegen den Verstoß vorgehen und sie hätten keine Repressalien zu befürchten. Nach der Erfahrung sind Hinweisgeber in aller Regel besonders loyale Mitarbeiter, die Missstände ohnehin zuerst intern anprangern, damit das Unternehmen Abhilfe schafft. Diese Änderung schafft jedoch weitere Anreize für Unternehmen, die interne Meldestelle für ihre Mitarbeiter ‚attraktiv‘ zu gestalten, einschließlich der einfachen Zugänglichkeit und Bedienung. Zudem sollten Unternehmen intern positiv kommunizieren und den Beschäftigten klar machen, dass Hinweise ernst genommen werden, Hinweisen nachgegangen wird, Abhilfe geschaffen wird und Hinweisgeber keine Repressalien zu befürchten haben.“

Zudem beträgt der Bußgeldrahmen in Fällen, in denen Meldungen behindert oder Repressalien ergriffen werden, nunmehr maximal 50.000 statt 100.000 Euro. Der Schmerzensgeldanspruch für Hinweisgeber wurde gestrichen.

Das Gesetz sieht im Fall von Rechtsstreitigkeiten darüber, ob ein Hinweisgeber mit Repressalien belegt wurde, nach wie vor eine Beweislastumkehr vor. Das heißt, dass das Unternehmen im Streitfall belegen muss, dass es den Hinweisgeber nicht aufgrund seiner Meldung benachteiligt hat. Bei dieser Regelung soll es bleiben, allerdings nur, wenn der Hinweisgeber explizit geltend macht, wegen des Hinweises eine Benachteiligung erlitten zu haben.

„Aufgrund der gesetzlichen Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers besteht ein erhöhtes Prozessrisiko für Unternehmen bei etwaigen Rechtsstreitigkeiten mit Hinweisgebern“, so Sarah Klachin, Expertin für Arbeitsrecht bei Pinsent Masons. „Die Beweislastumkehr birgt eine gewisse Missbrauchsgefahr, die für Unternehmen eine exakte Dokumentation ihrer Handlungen gegenüber Hinweisgebern erforderlich macht.“

Klachin weist zudem darauf hin, dass in kollektivarbeitsrechtlicher Sicht verschiedene erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Betracht kommen. „Unternehmen mit Betriebsrat sollten sich daher zeitnah mit ihrem Betriebsrat zusammensetzen und diesen bei der Umsetzung des HinSchG einbinden. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung bietet sich in jedem Fall an“, so Klachin.

Die Nichteinrichtung einer Meldestelle kann erst sechs Monate nach Inkrafttreten mit einem Bußgeld belegt werden. Für kleinere Unternehmen mit in der Regel 50 bis zu 249 Mitarbeitern gilt für die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle eine Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023. Unternehmen mit in der Regel weniger als 50 Mitarbeitern sind von den neuen Vorgaben ohnehin nicht erfasst.

Download: Leitfaden zum Whistleblowing-Gesetz (2-Seiten / 252KB PDF)

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