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Corona-Lockdown kann TK-Netzbetreiber vor Probleme stellen


Durch den Lockdown und das neue Maßnahmenpaket der Bundesregierung kommen Unwägbarkeiten auf Betreiber von Telekommunikationsnetzen zu, so ein Experte.

Wegen der ergriffenen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus befindet sich Deutschland im Lockdown, Firmen und Privatpersonen sind gerade jetzt auf stabile Kommunikationsnetze angewiesen.

Doch Fachleute befürchten, dass das neue Gesetzespaket, das die Bundesregierung vergangene Woche im Eilverfahren beschlossen hat, um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern, Betreiber von Telekommunikationsnetzen (TK-Netzen) vor Probleme stellen und es ihnen erschweren könnte, den Netzbetrieb aufrecht zu erhalten.

Denn das Maßnahmenpaket der Regierung und der Lockdown selbst könnten dazu führen, dass Vertragspartner von Netzbetreibern ihre vertraglich geschuldeten Leistungen verweigern. Das können beispielsweise Bauunternehmen, Material- und Techniklieferanten, IT-Dienstleister, Fakturierungs- und Clearinghäuser sein. Verbraucher oder Kleinstunternehmen könnten zudem ihre Zahlungen für in Anspruch genommene Telekommunikationsdienste bis Ende Juni stunden.

„Für die Netzbetreiber, von denen die Stabilität und teilweise sogar der weitere Ausbau der Netze erwartet wird, um die Versorgung mit Sprach- und Datenkommunikation sowie TV und Radio sicherzustellen, ergeben sich juristische Besonderheiten aufgrund von Covid-19“, so TK-Rechtsexperte Dr. Marc Salevic von Pinsent Masons, der Anwaltskanzlei hinter Out-Law. „Netzbetreiber werden etwaige ihnen gegenüber geltend gemachte Leistungsverweigerungen im Hinblick darauf prüfen müssen, wie sehr die jeweilige Verweigerung den Netzbetrieb beziehungsweise -ausbau beeinträchtigt.“

Betreiber von Telekommunikationsnetzen unterliegen besonderen Vorschriften, Auflagen und Pflichten, wenn es darum geht, Netzausbau-Abschnitte fertigzustellen, den Netzbetrieb zu sichern, die Mindestqualität und Diskriminierungsfreiheit im Netzbetrieb zu gewährleisten und mit zahlungssäumigen Endnutzern umzugehen. Experten rechnen damit, dass gerade das nun für TK-Netzbetreiber zum Problem werden könnte.

Fertigstellungsfristen für Netzausbau-Abschnitte

In den Gesetzesmaterialien zur Lockdown-Regelung werden ausdrücklich auch Bauunternehmen als potentielle Leistungsverweigerer genannt, wobei diese Neuregelung auf ‚Kleinstunternehmen‘ beschränkt wurde und auch ‚kleinste‘ Bauunternehmen ihre Situation darlegen und beweisen müssen, wenn sie sich auf die Neuregelung berufen. Für größere Bauunternehmen gelten weiterhin die allgemeinen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen.

Zeichnet sich ab, dass sich ein Netzausbauvorhaben verzögert, so muss beispielsweise bei Einschlägigkeit der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen eine Behinderungsanzeige verfasst werden, um die Vertragsparteien darüber zu informieren. Die üblichen Anforderungen an die Verzögerungsbegründung in einer solchen Anzeige gelten aller Voraussicht nach auch für Verzögerungen aufgrund der Corona-Pandemie, so Dr. Salevic.

Daneben könnten weitere spezielle Regelungen den Ausschlag geben, wie beispielsweise Erlasse von baubehördlicher Seite oder eventuelle Fördermittel-Auflagen und Zuwendungsverträge.

„TK-Netzbetreiber unterliegen häufig einer Verpflichtung, dass sie Bauabschnitte innerhalb bestimmter Fristen erschließen, ein kurz und knapp begründbares Leistungsverweigerungsrecht gibt es dazu nicht“, so Dr. Salevic. Pauschal gehaltene Behinderungsanzeigen seien daher nicht sinnvoll.

„TK-Netzbetreiber sollten im ersten Schritt Behinderungsanzeigen ihrer Vorleister kritisch prüfen und bei etwaigen Mängeln zurückweisen. Sollte sich herausstellen, dass ein Vorleister seine Leistung zu Recht verweigert und das den Ausbau unvermeidbar verzögert, müssen die TK-Netzbetreiber unverzüglich eigene Anzeigen oder Anträge an ihre Vertragspartner und die zuständigen Behörden richten und entsprechend begründen.“

Dies gelte insbesondere für die Verzögerung von staatlich geförderten Anschlüssen und die Anbindung von Mobilfunkstationen, aber auch im eigenwirtschaftlichen Ausbau, bei dem Kommunen und Netzbetreiber zusammenarbeiten.

So ermitteln Netzbetreiber teilweise den Bedarf durch die sogenannte Vorvermarktung: Bevor das Netz in den Kommunen ausgebaut wird, muss sich eine ausreichende Zahl an Bürgern für einen Glasfaseranschluss entscheiden. „Es sind beispielsweise Vorvermarktungskonstellationen denkbar, in denen sich die ausbauenden Netzbetreiber ihrerseits auf Verlängerungen in der Vorvermarktung berufen könnten, um den Netzausbau vor Ort trotz Verzögerungen letztlich doch noch fertigstellen zu können.“

Sicherstellung, Mindestqualitäten und Diskriminierungsfreiheit

Die spezifischen Anforderungen an den Service und die Neutralität im Netzbetrieb sind vielfältig. Neben einschlägigen Klauseln in Verträgen mit Endnutzern, Großhandelskunden, Kooperationspartnern und Zuwendungsgebern gibt es zahlreiche Gesetze, Leitlinien und Verordnungen für Netzbetreiber.

„Die TK-Netzbetreiber tun in der aktuell erhöhten Netzauslastung gut daran, etwaige Verkehrsmanagementmaßnahmen und Stufenpläne vorab mit den jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden abzustimmen“, so Dr. Salevic. Die mittlerweile am Markt geforderten und auch vereinbarten Bandbreiten seien häufig beachtlich hoch und die Systeme seien selten auf eine so außerordentliche Gesamtauslastung wie im aktuellen Lockdown abgestimmt worden.

„Die Pflicht, bestimmte Kerndienste sicherzustellen, kann in der aktuellen Situation rechtfertigen, dass man andere Dienste dafür drosselt. Allerdings muss das hinreichend begründet werden. Hier gibt ein spezieller Leitfaden der Bundesnetzagentur Hilfestellung“, so Dr. Salevic.

Umgang mit zahlungssäumigen Endnutzern

Das Maßnahmenpaket, das die Bundesregierung beschlossen hat, um der Corona-Krise zu begegnen, ermöglicht es Verbrauchern und Kleinstunternehmen, die wegen der Corona-Krise in finanzielle Schieflage geraten sind, unter anderem auch für Telekommunikationsdienste bis Ende Juni in Zahlungsrückstand zu kommen, ohne dass die Verträge deshalb gekündigt werden dürfen.

„Daher müssen die TK-Netzbetreiber auch befürchten, dass – schlimmstenfalls zahlreiche – ihrer Endnutzer zwar die Sprach- und Datenkommunikations- sowie Rundfunkdienste weiterhin beziehen, aber dafür unter Berufung auf die gesetzliche Neuregelung nicht zahlen wollen“, so Dr. Salevic. Wird den Netzbetreibern durch massenhafte Zahlungsausfälle die wirtschaftliche Grundlage entzogen, findet jedoch auch diese Neuregelung ihre Grenze. Denn das neue Gesetz sieht eine Rückausnahme vor: Wenn die oben genannte Stundung für den TK-Netzbetreiber unzumutbar ist, muss der Endnutzer weiterhin pünktlich zahlen und kann den TK-Dienstevertrag höchstens außerordentlich kündigen.

„Ist die Sicherstellung von Telekommunikations- und Rundfunkversorgungsleistungen essentiell und im Gemeininteresse, so werden auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Netzbetreiber besonders zu gewichten sein. Man denke nur an die Kosten, die Netzbetreibern ihrerseits entstehen, um beispielsweise die Lizenzen für TV- und IPTV zu bekommen“, so Dr. Salevic.

Könne der Verbraucher nicht hinreichend darlegen, dass er sich aufgrund der Corona-Krise in einer wirtschaftlichen Notsituation befindet und daher nicht für seine TK-Dienste bezahlen kann, oder wäre es für den Netzbetreiber unzumutbar, auf die Zahlungen zu warten, so könne der TK-Netzbettreiber den Anschluss sperren, so Dr. Salevic. Allerdings könne eine schlimmstenfalls hohe Anzahl von solchen Fällen auch zu einer entsprechend hohen Anzahl von Schlichtungsverfahren vor der dann zuständigen Bundesnetzagentur führen.

„Auch insoweit bietet es sich also an, sich im Vorhinein mit der Bundesnetzagentur abzustimmen, um das Risiko einer Verfahrensflut mit allzu kleinteiligen Einzelfallprüfungen kalkulierbar zu machen“, so Dr. Salevic.

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