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Leistungsschutzrecht: EU-Kommission lehnt obligatorische kollektive Rechtewahrnehmung ab


Die EU-Kommission hat den Vorschlag eines Mitglieds des Europaparlaments abgelehnt, die Durchsetzung des neuen Leistungsschutzrechts für Presseverleger in Tschechien zwingend den Verwertungsgesellschaften zu übertragen. Die Begründung der Kommission greift jedoch zu kurz, so ein Experte.

Die EU-Kommission hat eine Anfrage zur Umsetzung der EU-Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt (DSM-Richtlinie) in Tschechien ablehnend beantwortet. Ein tschechisches Mitglied des Europaparlaments wollte wissen, ob Presseverlage bei der Einführung eines Leistungsschutzrechts verpflichtet werden können, die Durchsetzung ihrer Rechte durch kollektive Lizenzen auf Verwertungsgesellschaften zu übertragen.

 

„Dass Tschechien die Geltendmachung dieses neuen Leistungsschutzrechts verpflichtend in die Hände der Verwertungsgesellschaften legen will, ist keineswegs abwegig“, so Dr. Nils Rauer, Experte für Urheberrecht bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „In der Vergangenheit hatten selbst große Verlage Schwierigkeiten damit, in Lizenzverhandlungen ihre Interessen gegen marktmächtige Suchmaschinenbetreiber durchzusetzen. Verwertungsgesellschaften könnten die Interessen der Verlage bündeln und so ihre Position in Verhandlungen stärken.“

Die Diskussion um ein eigenes Leistungsschutzrecht für Presseverlage gibt es bereits seit über einer Dekade. Der europäische Gesetzgeber hat 2019 mit der DSM-Richtlinie Anlauf genommen, ein solches Recht unionsweiten und möglichst einheitlich zu etablieren. Die Mitgliedstaaten sind gehalten, die Richtlinie bis Juni 2021 umzusetzen. Im Kern geht es darum, Presseverlage an den Einnahmen zu beteiligen, die entstehen, wenn deren Presseveröffentlichungen über Diensten der Informationsgesellschaft zugänglich gemacht werden. Zu solchen Diensten zählen auch Suchmaschinenbetreibern wie Google.

Es stelle sich aber die Frage, inwieweit eine obligatorische kollektive Rechtewahrnehmung mit dem Ansatz der Vollharmonisierung vereinbar wäre, den die EU verfolgt, so Dr. Rauer. Den Mitgliedstaaten bleibe ein vergleichsweise geringes Maß an Spielraum bei der Umsetzung des Leistungsschutzrechts. „Die Richtlinie selbst sieht eine verpflichtende Wahrnehmung auf Kollektiveben nicht vor.“

Der Anfrage des Abgeordneten ist zu entnehmen, dass es in Tschechien eine „anhaltende Debatte“ rund um die Umsetzung der DSM-Richtlinie gibt. Der Abgeordnete hatte sich daher erkundigt, ob das EU-Recht die Mitgliedstaaten daran hindert, eine obligatorische kollektive Wahrnehmung der Rechte von Presseverlegern im Zusammenhang mit dem neuen Leistungsschutzrecht einzuführen. In diesem Fall könnten Verwertungsgesellschaften beispielsweise stellvertretend für die Presseverlage Lizenzen, die für die Anzeige ihrer Presseerzeugnisse in Trefferlisten nötig sind, kollektiv verwalten und mit Suchmaschinenbetreibern Lizenzgebühren aushandeln. 

Die EU-Kommission antwortete daraufhin, dass die Mitgliedstaaten ihrer Auffassung nach nicht befugt seien, das Leistungsschutzrecht für Presseverleger „durch einen Mechanismus der obligatorischen kollektiven Wahrnehmung umzusetzen“. Das neue Leistungsschutzrecht verleihe Presseverlagen das ausschließliches Recht, das Bereitstellen ihrer Presseveröffentlichungen durch Dienste der Informationsgesellschaft zu erlauben oder zu untersagen. „Eine Verpflichtung zur kollektiven Verwaltung dieser Rechte würde den Presseverlegern dieses ausschließliche Recht entziehen“, da den Presseverlagen dadurch die Entscheidung vorweggenommen werde, so die EU-Kommission.

„Zwingend ist der Schluss der EU-Kommission jedoch nicht“, so Dr. Rauer. „Die Frage einer verpflichtenden Einbringung in die kollektive Rechtewahrnehmung ist schlicht nicht Gegenstand der Regelung von Artikel 15 der DSM-Richtlinie, der das Leistungsschutzrecht der Presseverleger behandelt. Anders als die EU-Kommission in ihrer Antwort nahelegt, geht es hier nicht um die Frage, ob die Verlage ein ausschließliche Recht bekommen, die Veröffentlichung ihrer Presseerzeugnisse durch Dienste der Informationsgesellschaft zu erlauben oder zu untersagen. Es geht vielmehr darum, wie sie dieses Recht geltend machen können. Auf diesen Punkt geht die EU-Richtlinie selbst nicht näher ein.“

Daher liege die Abwägung letztlich bei den Mitgliedsstaaten. „Die Frage kann folglich nicht allein mit dem Hinweis auf eine grundsätzlich angestrebte Vollharmonisierung des materiell-rechtlichen Leistungsschutzrechts für Presseverleger weggewischt werden“, so Dr. Rauer.

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