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Vorschläge zur Entlastung von Gerichten bei Massenverfahren im Bundesrat


Der hessische Justizminister hat im Bundesrat eine Initiative zur Entlastung der Gerichte bei zivilgerichtlichen Massenverfahren vorgestellt. Zwei Bundesratsausschüsse werden nun über die Vorschläge beraten.

Der hessische Minister der Justiz, Prof. Dr. Roman Poseck, hat am vergangenen Freitag im Bundesrat einen Antrag der Länder Hessen und Sachsen-Anhalt vorgestellt, der die zunehmende Überlastung der Justiz durch Massenverfahren thematisiert und die Bundesregierung dazu auffordert „zeitnah einen Gesetzentwurf vorzulegen, der […] die Gerichte in die Lage versetzt, zivilgerichtliche Massenverfahren effizient und in angemessener Zeit erledigen zu können.“

In seiner Wortmeldung sprach Prof. Dr. Poseck von „massiven Hilferufen aus der gerichtlichen Praxis“, deren Ursache in der zunehmenden Belastung beispielsweise durch zivilrechtliche Massenverfahren wie die Dieselverfahren oder Verfahren zu Fluggastrechten liege. Das Phänomen Massenverfahren werde nicht verschwinden, erklärte er. Es binde jedoch massiv Ressourcen, die an anderer Stelle fehlten. Daher seien Veränderungen und Vereinfachungen dringend nötig.

„Der Gesetzgeber hat auf die Hilferufe der Justiz, die weiterhin unter der Belastung durch Massenverfahren ächzt, bislang nicht reagiert“, so Johanna Weißbach, Expertin für Massenverfahren bei Pinsent Masons. „Die Justizministerien einzelner Länder machen nun durch den Bundesrat Druck und pochen auf Unterstützung durch den Gesetzgeber im Zuge der Umsetzung der EU-Verbandsklagen-Richtlinie bis zum 25. Dezember 2022.“

Der vom Bundesland Hessen vorbereitete Entschließungsantrag beinhaltet konkrete Vorschläge, die zur Entlastung der Justiz bei Massenverfahren beitragen sollen. Dazu zählt der Vorschlag für ein Vorabentscheidungsverfahren durch den Bundesgerichtshof, wie es auch schon die Justizministerkonferenz angeregt hatte. Auch macht der Entschließungsantrag Vorschläge zur Erleichterung bei der Beweisaufnahme und verweist auf die Initiative des Deutschen Richterbunds mit weiteren konkreten Vorschlägen zu zivilprozessualen Gesetzesänderungen, um den Gerichten Instrumente für eine effektivere Bewältigung von Massenverfahren an die Hand zu geben.

„Sollte der Gesetzgeber den Vorschlägen des Richterbunds und der Justizministerien der Länder folgend ein Vorabentscheidungsverfahren beim BGH einführen, könnte dies die Dynamik von Massenverfahren auch für die beteiligten Parteien entscheidend verändern“, so Carlo Schick, ebenfalls Experte für Massenverfahren bei Pinsent Masons. „Bislang konnten sich Angriffs- und Verteidigungsstrategien sowie die rechtliche Argumentation der Parteien über einen längeren Zeitraum entwickeln. Sollte das Vorabentscheidungsverfahren kommen, verkürzt sich der Zeitraum bis zu einer letztinstanzlichen Entscheidung erheblich. Damit würde insbesondere für betroffene Unternehmen die Bedeutung einer frühzeitigen vollumfänglichen Sachverhaltsaufbereitung und -analyse sowie einer von Beginn an ausgereiften Strategie zur rechtlichen Argumentation steigen.“

Der Entschließungsantrag wurde an den Rechtsausschuss des Bundesrates sowie an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit weiterverwiesen, die nun weiter über ihn beraten werden.

Das hessische Justizministerium teilte im Nachgang mit, Hessen und andere Bundesländer hätten den Bund wiederholt dazu aufgefordert, „die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewältigung von Massenverfahren zu schaffen, insbesondere in der Zivilprozessordnung“. Die Bundesratsinitiative sei nötig geworden, da dieser Forderung bislang nicht nachgekommen wurde. „Richterinnen und Richtern müssen passgenaue Instrumente an die Hand gegeben werden, mit denen sie Massenverfahren effizienter und zeitnaher bewältigen können. Die Länder können auch nicht jedes Phänomen durch zusätzliche Stellen lösen. Personelle Ressourcen werden immer endlich sein. Deshalb muss der unverhältnismäßigen Bindung von Personal durch Massenverfahren entgegengewirkt werden“, so Prof. Dr. Poseck. Die Justizministerkonferenz, der Deutsche Richterbund und das Land Hessen hätten wichtige Vorarbeit geleistet. Es sei nun Aufgabe des Bundes, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um die Gerichte bei Massenverfahren zu entlasten.

Einer Stellungnahme des Deutschen Richterbundes aus Mai 2022 zufolge gingen bei den 24 deutschen Oberlandesgerichten allein im Zusammenhang mit dem „Diesel-Komplex“ im Zeitraum von 2018 bis 2021 rund 117.500 Zivilklagen gegen Autohersteller ein. Allein am Landgericht Stuttgart seien es 2021 rund 8.700 Diesel-Verfahren gewesen. Am Landgericht Frankfurt am Main seien Anfang 2022 an einem einzigen Tag 100 Verfahren von Wirecard-Anlegern eingegangen.

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