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Deutscher Richterbund macht Vorschläge zur Entlastung der Justiz bei Massenverfahren


Eine Expertengruppe des Deutschen Richterbundes hat Vorschläge erarbeitet, durch die deutschen Gerichten die Bearbeitung von Massenverfahren erleichtert werden soll.

Der Deutsche Richterbund (DRB) hat kürzlich eine Stellungnahme (39 Seiten/ 514 KB) veröffentlicht, in der er Maßnahmen vorschlägt, mit denen der zunehmenden Überlastung der Gerichte durch Massenverfahren entgegengewirkt werden könnte.

 

Der DRB spricht sich unter anderem dafür aus, ein Vorabentscheidungsverfahren beim zuständigen Revisionsgericht einzuführen. So könnten frühzeitig „grundsätzliche streitentscheidende Rechtsfragen“ geklärt und die Rechtssicherheit gestärkt werden. Solange das Vorabentscheidungsverfahren läuft, könnten parallele Verfahren ausgesetzt werden, so der DRB. Schon im Juni 2021 hatten die Justizminister von Bund und Ländern angekündigt zu prüfen, ob ein Vorabentscheidungsverfahren beim Bundesgerichtshof (BGH) eingeführt werden kann. Ein solches Voraburteil soll zwar nur für den jeweiligen vor dem BGH verhandelten Fall direkt bindend sein, jedoch Signalwirkung für alle anderen Gerichte haben, die mit Verfahren rund um das gleiche Thema befasst sind. So soll eine höchstrichterliche Entscheidung für gleiche oder ähnlich gelagerte Fälle in Zukunft deutlich schneller ergehen als bisher.

„Es werden nun vermehrt Stimmen laut, die sich für die Einführung eines solchen Vorabentscheidungsverfahrens aussprechen“, so Christian Schmidt, Experte für Gerichts- und Schiedsverfahren bei Pinsent Masons. „Abzuwarten bleibt, ob der Gesetzgeber ein solches Verfahren im Zuge der Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie einführen wird.“

Auch will der DRB einem Phänomen, das gelegentlich als „Revisionsflucht“ bezeichnet wird, einen Riegel vorschieben. Damit ist gemeint, dass Unternehmen, die von Massenklagen betroffen sind, ihre Revision vor dem BGH häufig zurücknehmen, wenn sich abzeichnet, dass dieser ein Grundsatzurteil zu ihren Ungunsten sprechen könnte. Geht es nach dem DRB, so soll es dem Revisionsgericht künftig möglich sein, eine Entscheidung selbst dann noch zu fällen, wenn die Revision zurückgenommen wurde.

Der DRB regt noch eine Reihe weiterer Maßnahmen an, die dazu beitragen sollen, die Justiz zu entlasten. So spricht er sich beispielsweise dafür aus, dass Gerichte Massenverfahren künftig auch rein schriftlich verhandeln können, ohne dass hierfür die Zustimmung der Parteien nötig ist. Und auch Video-Verhandlungen sollen künftig ohne Zustimmung der Parteien möglich sein.

Der DRB schlägt zudem vor, ein beschleunigtes Online-Verfahren für besonders standardisierte Fälle einzuführen, beispielsweise im Bereich der Fluggastrechte. Auch würde die Richterschaft künftig gerne verstärkt auf Künstliche Intelligenz setzen, um von den Parteien eingereichte und durchstandardisierte Dokumente, die kaum mehr einen Bezug zum Einzelfall aufweisen, zu durchleuchten. Computer könnten dann erkennen, welche Textbausteine sich tatsächlich von den Standard-Bausteinen unterscheiden und daher Aufschluss über den Einzelfall geben könnten.

„Dieser Schritt in Richtung einer weiteren Digitalisierung der Justiz erscheint sinnvoll, zumal die Parteivertreter schon seit Längerem die Möglichkeiten der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz in der Verfahrensbearbeitung nutzen“, erläutert Schmidt.

Zudem regt der DRB an, bei Massenverfahren künftig den Instanzenzug auf eine Tatsacheninstanz zu begrenzen. Das würde bedeuten, dass gegen das Urteil der ersten Instanz unmittelbar Revision eingelegt werden könnte, ohne dass noch eine weitere Tatsacheninstanz zwischengeschaltet wäre.

Die Stellungnahme enthält noch eine Reihe weiterer Vorschläge, nicht zuletzt den, den Gerichten mehr Personal zur Verfügung zu stellen und an Gerichten mit besonders vielen Massenverfahren eine Richterassistenz einzustellen.

„Die Vorschläge des DRB bieten vielversprechende Ansätze, um die Arbeitsüberlastung der Gerichte abzumildern“, fasst Schmidt zusammen. „Zugleich hält sich der DRB hier mit Vorschlägen zu echten Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes, die der Justiz eine wirkliche Erleichterung verschaffen könnten, auffallend zurück. Die ersten Entwürfe zur Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie dürfen insoweit mit Spannung erwartet werden.“

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