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Neue Haftungsrisiken für Online-Marktplatzbetreiber beim Präsentieren gefälschter Waren


Nach einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union könnte Amazon für mögliche Markenrechtsverletzungen durch Drittanbieter haftbar gemacht werden.

In einem kürzlich ergangenen Urteil entschied der Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), dass der Online-Marktplatzbetreiber Amazon für vermeintliche Fälschungen, die auf seiner Plattform verkauft werden, verantwortlich gemacht werden könnte. In dem Verfahren ging es um die Verletzung eines Markenzeichens des Designers Christian Louboutin: Die Schuhe des Designers erkennt man leicht an ihren roten Sohlen – ein Merkmal, das er sich als Marke hat schützen lassen. Louboutin behauptet, Amazon habe seine Marke verletzt, weil die Plattform regelmäßig Angbote für Schuhe mit roten Sohlen präsentiere, die von Drittanbietern eingestellt würden. Aus diesem Grund reichte er vor belgischen und luxemburgischen Gerichten Klage gegen Amazon ein.

„Die Schuhe von Christian Louboutin sind an ihrer roten Sohle zu erkennen, einer einzigartigen und charakteristischen Marke. Er beanstandete verschiedene Angebote auf Amazon von gefälschten Schuhen mit roter Sohle“, fasst Markenrechtsexperte Dr. Fabian Klein von Pinsent Masons den Fall zusammen. „Diese Schuhe wurden nicht von Amazon, sondern von Dritten über die Amazon-Plattform verkauft, wobei der Versand und die Abwicklung über Amazon erfolgte.“

Die belgischen und luxemburgischen Gerichte verwiesen den Fall anschließend an den EuGH und ersuchten ihn um Hilfe bei der Auslegung des geltenden EU-Rechts. Ihre Frage drehte sich im Wesentlichen darum, ob Amazon selbst die Louboutin-Marken benutzt, oder ob nur der Drittverkäufer die Marke verletzt hat. Die vorlegenden Gerichte wollten insbesondere wissen, ob es in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, dass Amazon die möglicherweise markenverletzenden Waren auf seiner Plattform in derselben Weise präsentierte wie Waren, die Amazon im eigenen Namen und auf eigene Rechnung verkauft, und dass Amazon den Drittanbietern zusätzliche Dienstleistungen anbietet, beispielsweise bei Lagerung und Versand der Waren.

„In seiner Entscheidung hat der EuGH relativ klare Vorgaben gemacht, wann eine Plattform wie Amazon für Angebote Dritter verantwortlich ist“, so Dr. Klein. „Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn beim Nutzer der Eindruck entsteht, dass die Plattform mit dem Angebot des Dritten verbunden ist, insbesondere dann, wenn das Angebot des Dritten ein integraler Bestandteil der eigenen Aktivitäten der Plattform zu sein scheint. Vereinfacht ausgedrückt, hat der EuGH gefragt, ob der Durchschnittsverbraucher das Angebot als ‚von Amazon‘ oder als ‚von einem Dritten stammend‘ ansehen würde.“

Dr. Klein erläuterte, dass Plattformen wie Amazon zwar gesetzlich verpflichtet sind, ausreichende Informationen über die Identität des tatsächlichen Anbieters zu geben, die Art und Weise, wie dies in der Praxis gehandhabt wird es den Verbrauchern jedoch oft schwer mache, diese Unterscheidung vorzunehmen, insbesondere wenn die Angebote Dritter im gleichen „Look and Feel“ gestaltet sind wie die Angebote der Plattform selbst. Übernimmt die Plattform darüber hinaus die Lagerhaltung und vor allem den Versand, wird es für die Verbraucher noch schwieriger, zwischen Angeboten Dritter und Amazon-Angeboten zu unterscheiden.

Genau diese Prüfungen hat der EuGH vorgenommen. Allerdings hat der EuGH – wie immer – die ihm gestellte abstrakte Frage nur allgemein beantwortet. Nach Ansicht von Experten gab er aber klare Hinweise darauf, dass er eine Rechtsverletzung seitens Amazon sieht, da das Angebot eine ausreichende Anzahl der relevanten Kriterien erfüllt: Das Angebot Dritter sah genauso aus wie eigene Amazon-Angebote; die Marke Amazon wurde gezeigt und ihr Ruf für die Angebote Dritter genauso genutzt wie für eigene Angebote; und Amazon bot zusätzliche Dienstleistungen wie Lagerung und Versand an.

Der EuGH hat Amazon also nicht vom Haken gelassen. Franziska Mauritz, Markenrechtsexpertin bei Pinsent Masons, rechnet damit, dass diese Entscheidung sich auch auf zahlreiche andere Betreiber auswirken wird: „Marktplatzanbieter sollten die Gestaltung ihrer Plattform überprüfen, um sicherzustellen, dass für die Öffentlichkeit klar erkennbar ist, welche Angebote vom Plattformanbieter und welche von Dritten stammen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Plattformanbieter in den Vertrieb der Produkte eingebunden ist, etwa durch den Versand der Waren. Andernfalls kann er für Rechtsverletzungen durch Dritte, die seine Plattform nutzen, haftbar gemacht werden.“

Dr. Klein geht davon aus, dass das EuGH-Urteil Markeninhabern den Weg ebnen könnte, die „prominenten“ Verkaufsplattformen anzugreifen, anstatt den einzelnen Rechtsverletzern nachjagen zu müssen. „Mit dem EuGH-Urteil wird das Leben für Online-Vertriebsplattformen, die nicht klar zwischen ihren eigenen Angeboten und denen Dritter unterscheiden, schwerer. Der EuGH gibt aber auch Hinweise darauf, wie eine solche Verantwortung vermieden werden kann, nämlich durch eine klare und deutliche Kennzeichnung des Dritten als dem eigentlichen Anbieter. Es kann daher gut sein, dass wir in Zukunft häufiger ‚Shop-in-Shop‘-Differenzierungen auf Online-Plattformen sehen.“

Die endgültige Entscheidung in der Rechtssache Louboutin gegen Amazon obliegt den nationalen Gerichten in Belgien und Luxemburg. Die Aufgabe des EuGH bestand lediglich darin, den Fall im Hinblick auf das EU-Recht zu beurteilen und den nationalen Gerichten Orientierungshilfen zu geben.

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