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BGH fordert von Insolvenzverwaltern mehr Nachweise bei Insolvenzanfechtung


Nach einer Entscheidung des BGH müssen Insolvenzverwalter künftig mehr Nachweise erbringen, wenn sie behaupten, dass das insolvente Unternehmen Zahlungen mit dem Vorsatz vorgenommen habe, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen.

Mit einem kürzlich veröffentlichten Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine ständige Rechtsprechung wegweisend geändert und entschieden, dass den Insolvenzverwalter von nun an höhere Anforderungen treffen, wenn dieser behauptet, dass das insolvente Unternehmen Zahlungen mit dem Vorsatz vorgenommen habe, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Diese Entscheidung ist von sehr hoher Bedeutung für Insolvenzverwalter wie auch für Unternehmen, deren Geschäftspartner sich in einer wirtschaftlichen Krise befinden. Zudem wird sie sich auch auf all jene auswirken, die sich an einer professionellen Sanierung beteiligt: Auch für sie sinkt nun das Risiko einer Insolvenzanfechtung.

Wann droht Insolvenzanfechtung?

Meldet ein Unternehmen Insolvenz an, fließt sein gesamtes Vermögen in die sogenannte Insolvenzmasse, aus der alle berechtigten Forderungen der Gläubiger des Unternehmens anteilig beglichen werden. Werden vor Insolvenzanmeldungen Forderungen einzelner Gläubiger noch erfüllt, während andere Gläubiger auf ihr Geld warten, verringert das die Insolvenzmasse und benachteiligt so die übrigen Gläubiger.

Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, so ist der Insolvenzverwalter daher verpflichtet, die von dem insolventen Unternehmen vorgenommenen Zahlungen und Vermögenstransaktionen darauf zu überprüfen, ob sie nach den Vorschriften der Insolvenzordnung wegen der Benachteiligung der Gläubiger anfechtbar sind. Bei Zahlungen, die innerhalb von drei Monaten vor der Stellung des Insolvenzantrags vorgenommen wurden, sieht das Gesetz erleichterte Anfechtungsvoraussetzungen vor.

Erfolgte die Zahlung an den Gläubiger früher, so kann sich der Insolvenzverwalter nur auf den Anfechtungstatbestand der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung gemäß Paragraf 133 der Insolvenzordnung (InsO) berufen. Dieser Tatbestand setzt voraus, dass der Schuldner – das später insolvente Unternehmen – eine Leistung vornimmt und dabei mit dem Vorsatz handelt, seine Gläubiger zu benachteiligen. Der Empfänger der Leistung muss von diesem Benachteiligungsvorsatz Kenntnis haben. Die Frist für die Vorsatzanfechtung beträgt bis zu zehn Jahre vor der Insolvenzantragstellung.

Hat der Insolvenzverwalter Erfolg, so ist der Gläubiger verpflichtet, die erhaltene Leistung an die Insolvenzmasse herauszugeben. Im Gegenzug lebt seine Forderung gegen den Schuldner wieder auf. Der Gläubiger kann die Forderung im Insolvenzverfahren anmelden, wird aber darauf nur die Insolvenzquote erhalten.

Frühere Position des BGH

Vorausgegangenen Urteilen des BGH zufolge lag ein Fall der Vorsatzanfechtung auch dann vor, wenn der Schuldner pflicht- und vertragsgemäß an einen Gläubiger zur Erfüllung der Schuld bezahlt hatte, Schuldner und Gläubiger bei der Zahlung aber wussten, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist.

Der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit und der Kenntnis des Gläubigers hiervon kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – an der auch im Urteil vom 6. Mai 2021 festgehalten wird – durch Indizien erfolgen. Wenn der Insolvenzverwalter Nachweise für diese Indizien vorlegte, oblag es dem Gläubiger, den Gegenbeweis zu führen, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Zahlung an den Gläubiger zahlungsfähig war. Das ist für viele Gläubiger praktisch unmöglich, weil sie als außenstehende Personen keine Informationen zu den internen Verhältnissen des Schuldners haben.

Das neue Urteil des BGH

Vor diesem Hintergrund ist das Urteil des BGH vom 6. Mai 2021 besonders praxisrelevant für die betroffenen Gläubiger, denn er entschied, fortan erhöhte Anforderungen an den Nachweis des Schuldnervorsatzes zu stellen:

  • Die Tatsache alleine, dass der Schuldner drohend zahlungsunfähig ist, genügt nicht. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, dass beispielsweise der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sicher zu erwarten ist, aber mit den noch vorhandenen Mitteln gezielt bestimmte Altgläubiger außerhalb des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs befriedigt werden.
  • Auch die Tatsache, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bereits eingetreten ist, genügt nicht für den Nachweis des Schuldnervorsatzes. Hinzu müssten vielmehr Umstände treten, dass der Schuldner auch weiß oder billigend in Kauf nimmt, zu einem späteren Zeitpunkt die übrigen Gläubiger nicht befriedigen zu können. Das soll etwa dann der Fall sein, wenn der Schuldner aktuell zahlungsunfähig ist und es absehbar ist, dass die Insolvenz unausweichlich ist.
  • Der BGH hat ausdrücklich bestätigt, dass diese Kriterien auch für Anfechtungen gemäß der seit 2017 gültigen Fassung des Paragraf 133 InsO gelten.

Die Anforderungen an Insolvenzverwalter sind damit signifikant gestiegen. Stützt der Insolvenzverwalter die Klage gemäß Paragraf 133 InsO nur darauf, dass der Schuldner zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig war, so haben beklagte Gläubiger jetzt sehr gute Erfolgschancen, den Anspruch des Insolvenzverwalters abzuwehren.

Keine Änderung der Rechtsprechung zur Kenntnis des Vorsatzes

Für betroffene Unternehmen ist wichtig zu wissen, dass diese Rechtssprechungsänderung des BGH sich nur auf die Anforderungen an den Nachweis des Vorsatzes des Schuldners beschränken.

Bangha-Szabo Attila

Dr. Attila Bangha-Szabo

Rechtsanwalt, Legal Director

Entscheidend für den Ausgang eines Rechtsstreits wird künftig die Frage sein, ob es dem Insolvenzverwalter gelingt, den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nachzuweisen.  

Für die spiegelbildliche Frage, ob der Gläubiger den Vorsatz des Schuldners gekannt hat, stellt der BGH sehr deutlich klar, dass die bisherigen Beweiserleichterungen weiter Bestand haben. Insbesondere wird weiterhin gesetzlich vermutet, dass der Gläubiger, der die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte, auch Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz haben wird (Paragraf 133 Absatz 1 Satz 2 InsO). Dieser Vermutungstatbestand ist für den Insolvenzverwalter weiterhin recht leicht darzulegen, wenn es sich um einen unternehmerisch tätigen Schuldner handelt und dem Gläubiger Indizien für eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit bekannt sind – wozu die Erklärung des Schuldners, er könne nicht zahlen, gehört.

Eine Folge dieser aktuellen Entscheidung des BGH ist daher, dass die Anforderungen zur Darlegung des Schuldnervorsatzes höher sind als für die Kenntnis des Gläubigers. Wir gehen daher davon aus, dass der entscheidende Gesichtspunkt für den Ausgang eines Rechtsstreits künftig die Frage sein wird, ob es dem Insolvenzverwalter gelingt, den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nachzuweisen. 

Änderung der Beweislast für den Fortbestand der Zahlungsunfähigkeit

Der BGH hat in der Entscheidung vom 6. Mai 2021 aber nicht nur die Anforderungen an die Nachweispflichten des Insolvenzverwalters erhöht, sondern in einem weiteren Schritt die Beweislast des beklagten Gläubiger bezüglich der Frage, ob eine Zahlungsunfähigkeit fortdauert, verringert.

Zwar hält der BGH an der für Insolvenzverwalter günstigen Rechtsprechung fest, dass für den Vortrag des Insolvenzverwalters zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Beweiserleichterungen gelten. Der BGH bestätigt, dass es genügt, wenn der Insolvenzverwalter vorträgt, dass der Schuldner die Zahlungen im Wesentlichen eingestellt hat.

Auch hält der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die Zahlungseinstellung bereits dann vorliegt, wenn der Insolvenzverwalter Indizien vorträgt, aus denen eine Zahlungseinstellung abzuleiten ist. Ein besonders aussagekräftiges Indiz ist danach die Erklärung des Schuldners an seinen Gläubiger, dass eine fällige und nicht unbeträchtliche Verbindlichkeit weder auf einmal noch ratenweise bezahlt werden kann.

Schließlich bleibt es dabei, dass im Fall einer Zahlungseinstellung das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit gesetzlich vermutet wird und den Gegner die Beweislast dafür trifft, dass der Schuldner zahlungsfähig war. Das gilt auch dann, wenn die Zahlungseinstellung zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten und zwischen den Parteien streitig ist, ob sie an einem späteren Zeitpunkt noch bestand. Auch dies bestätigte der BGH.

Neu ist, dass die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Frage, ob die Zahlungseinstellung fortdauert, nicht stets den Gläubiger trifft. Das hängt im Einzelfall davon ab, in welchem Ausmaß die Zahlungseinstellung dem Gläubiger gegenüber zutage getreten ist.

Mit anderen Worten: Selbst wenn es dem Insolvenzverwalter gelingt, Indizien für die Zahlungseinstellung darzulegen, so gibt es keinen Automatismus, wonach den Gläubiger die volle Beweislast für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners trifft. Das richtet sich vielmehr danach, wie stark die vom Insolvenzverwalter vorgetragen Indizien sind.

Bedeutung des BGH-Urteils für Sanierungssituationen

Die Bedeutung dieser Entscheidung des BGH geht weit über die Frage der Anfechtbarkeit von Zahlungen nach einer Stundungsbitte hinaus. Nach unserer Einschätzung hat der BGH Gläubigern wie auch den von einer wirtschaftlichen Krise betroffenen Unternehmen größere – rechtssichere – Handlungsspielräume in Sanierungssituationen eröffnet.

Bei einer schematischen Anwendung der früheren Rechtsprechung des BGH zur Insolvenzanfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung waren alle Zahlungen, die ein zahlungsunfähiger oder drohend zahlungsunfähiger Schuldner in einer Sanierungssituation an Gläubiger leistete, potentiell von einem Anfechtungsrisiko behaftet. Diese Risiken wirken auf Gläubiger, die zu Sanierungsbeiträgen bereit wären, als potentiell abschreckende Sanierungshindernisse. Mit dem nun ergangenen Urteil leistet der Bundesgerichtshof einen wichtigen Beitrag dazu, die vorinsolvenzliche Sanierung aufzuwerten und zu erleichtern.

Wir empfehlen Unternehmen, die sich als Gläubiger in Verhandlungen mit einem Geschäftspartner in einer Sanierungssituation befinden, dass sie sich ein genaues Bild über das Sanierungsvorhaben machen. Wichtig ist für die Gläubiger, dass sie Gewissheit darüber erlangen, dass der Geschäftspartner die Sanierung für aussichtsreich hält und dass das Sanierungsvorhaben auch objektiv Erfolgsaussichten aufweist. Die beste Verteidigung gegen eine Anfechtung in einer Sanierungssituation ist nicht Unwissenheit, sondern Information.

Daher sollte jeder Gläubiger proaktiv Informationen über die geplante Sanierung einfordern – unabhängig davon, ob es sich um eine einvernehmliche, nicht förmliche Sanierung oder um ein Restrukturierungsverfahren nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) handelt.

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