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Geplantes Zukunftsfinanzierungsgesetz – Was soll sich im Aktien- und Kapitalmarktrecht ändern?

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Nach Veröffentlichung eines Referentenentwurfs im April hat das Bundeskabinett am 16. August 2023 den Regierungsentwurf für das Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen – kurz: Zukunftsfinanzierungsgesetz - beschlossen.

Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf ebnet den Weg für eine mögliche Reform des Aktien- und Kapitalmarktrechts, um den Finanzplatz Deutschland zu stärken und insbesondere die Rahmenbedingungen für Start-ups, Wachstumsunternehmen und den Mittelstand zu verbessern.

Vor diesem Hintergrund sieht der Regierungsentwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes ein umfangreiches Maßnahmenpaket in den Bereichen des Gesellschaftsrechts, Kapitalmarktrechts, Steuerrechts und Aufsichtsrechts vor.

Das Maßnahmenpaket betrifft im Bereich des Aktien- und Kapitalmarktrechts die Anhebung der Volumengrenze beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss, die Anhebung der Volumengrenze beim bedingten Kapital, die Einführung eines neuen Regelungsrahmens für SPACs, die (Wieder-)Einführung von Mehrstimmrechtsaktien sowie Regelungen für einen erleichterten Zugang an die Börse.

Anhebung der Volumengrenze beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss auf 20%

Wenn eine Aktiengesellschaft ihr Grundkapital erhöhen will, muss dies in der Regel unter Beachtung des Bezugsrechts der bestehenden Aktionäre erfolgen. In bestimmten Fällen kann jedoch das Bezugsrecht der bestehenden Aktionäre ausgeschlossen werden – zum Beispiel, um der Gesellschaft die Kapitalbeschaffung durch neue Investoren zu ermöglichen.

Derzeit sieht das Aktiengesetz einen sogenannten "vereinfachten" Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen vor, bei denen die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 10 % des derzeitigen Grundkapitals nicht übersteigen und der Ausgabebetrag der neuen Aktien den Börsenkurs nicht wesentlich unterschreiten darf. Der Grund für die "Vereinfachung" dieses Bezugsrechtsausschlusses liegt darin, dass der Gesetzgeber den Bezugsrechtsausschluss ausdrücklich als gesetzlich zulässig anerkennt, sofern die vorgenannte 10%-Grenze und die Angemessenheit des Ausgabepreises eingehalten werden.

Nach dem Zukunftsfinanzierungsgesetz soll diese Grenze auf 20 % verdoppelt werden.

In der Praxis wurde der vereinfachte Bezugsrechtsausschluss vor allem bereits im Rahmen des sogenannten „genehmigten Kapitals“ genutzt. Die durch einen Hauptversammlungsbeschluss zu schaffende Satzungsregelung eines genehmigten Kapitals ermächtigt den Vorstand einer Aktiengesellschaft bis zu 5 Jahre ohne Einholung eines weiteren Hauptversammlungsbeschlusses das Grundkapital der Gesellschaft um bis zu 50 % zu erhöhen. Soweit ein solches genehmigtes Kapital in der Satzung der Gesellschaft enthalten ist, kann der Vorstand durch die Satzungsbestimmung dazu ermächtigt werden, das Bezugsrecht der bestehenden Aktionäre bei Barkapitalerhöhungen bis zur Grenze von 10 % auszuschließen.

Durch die Verdopplung der Grenze des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses wird die Verknüpfung des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses mit einer Satzungsermächtigung des Vorstands für ein genehmigtes Kapital also künftig noch attraktiver. In jedem Fall stellt die Anhebung der Grenze auf 20 % eine begrüßenswerte Erleichterung der Kapitalbeschaffung für Aktiengesellschaften dar.

Anhebung der Volumengrenze beim bedingten Kapital für Unternehmenszusammenschlüsse und für die Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Führungskräfte

Nach aktueller Gesetzeslage kann eine Aktiengesellschaft ein sog. bedingtes Kapital in Höhe von bis zu 50 % des Grundkapitals für die Gewährung von Umtausch oder Bezugsrechten aufgrund von Wandelschuldverschreibungen oder die Vorbereitung von Unternehmenszusammenschlüssen schaffen. Als „bedingt“ wird dieses deshalb bezeichnet, weil eine Kapitalmaßnahme unter Rückgriff auf das sog. „bedingte Kapital“ nur in dem Maße stattfindet, wie von Bezugs- oder Umtauschrechten Gebrauch gemacht wird.

Soweit das bedingte Kapital für Unternehmenszusammenschlüsse genutzt wird, sieht der Regierungsentwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes vor, dass die Grenze von 50 % auf 60 % angehoben werden soll. In der Praxis wird das bedingte Kapital allerdings nur selten für Unternehmensschlüsse genutzt, sodass diese vorgeschlagene Änderung wohl nur einen geringen praktischen Nutzen hat.

Praxisrelevanter dürfte dagegen die Anhebung der Grenze des bedingten Kapitals zur Gewährung von Bezugsaktien an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung sein. Diese betrug bisher 10 % des Grundkapitals und soll künftig auf 20 % verdoppelt werden. Durch diese Änderung wird auch die Attraktivität von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen erhöht.

Neuer Regelungsrahmen für SPACs

Ein SPAC (Special Purpose Acquisition Company) ist eine Mantelgesellschaft ohne eigenes operatives Geschäft, die gegründet und sodann an einer Börse gelistet werden kann, um den SPAC zu einem späteren Zeitpunkt in eine operative Gesellschaft umzuwandeln – zum Beispiel durch Einbringung einer operativen Gesellschaft im Wege einer Sachkapitalerhöhung. Dieses Prozedere, das auch als "Reverse IPO" bezeichnet wird, bietet einen einfachen Zugang an die Börse. In unserer Beratungspraxis ist der Einsatz von SPACs über sogenannte Reverse IPOs bereits ein etabliertes Instrument, um Unternehmen vergleichsweise schnell die Möglichkeit einer Finanzierung über den Kapitalmarkt zu verschaffen.

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz sieht eine Änderung des Regelungsrahmen für SPACs vor, was den deutschen Kapitalmarkt für dieses Finanzierungsmodell weiter öffnen soll. Neuregelungen zu SPAC-Gesellschaften sollen in einem neuen Abschnitt 4a des Börsengesetzes unter dem etwas sperrigen Titel „Börsenmantelaktiengesellschaft zum Zweck der Börsenzulassung“ getroffen werden. Ausweislich des Regierungsentwurfs soll damit eine Rechtsformvariante der Aktiengesellschaft geschaffen werden. Zudem soll ein SPAC künftig den Rechtsformzusatz „Börsenmantelaktiengesellschaft“ erhalten.

Die Neuregelungen im Regierungsentwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes sehen unter anderem beispielsweise bestimmte Anforderungen an die Satzungen von SPACs vor (wie bezüglich des Unternehmensgegenstands oder der zwingenden Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung). Darüber hinaus wird eine ausdrückliche Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Zieltransaktion (d.h. mit welchem Unternehmen der SPAC operativ ausgestattet werden soll) normiert.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die geplante Neuregelung, dass Aktionären, welche gegen den Beschluss der Hauptversammlung über die Zieltransaktion Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben, ein Andienungsrecht ihrer Aktien gegenüber der Gesellschaft gegen Rückzahlung der Einlage und eines etwaigen Agios zustehen soll. Dem Konflikt mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr an die Aktionäre und dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft (grds. nur bis zu einer Grenze von 10 % möglich), entledigt sich der Regierungsentwurf dadurch, dass er die Andienung nach der geplanten Neuregelung im Börsengesetz vom Tatbestand der Einlagenrückgewähr ausnimmt und die Erwerbsgrenze der Gesellschaft für den Erwerb eigener Aktien in diesem Zusammenhang auf 30 % anhebt.

(Wieder-)Einführung der Mehrstimmrechtsaktien

Mehrstimmrechtsaktien kannte das deutsche Aktiengesetz zuletzt im Jahr 1998. Bei Mehrstimmrechtsaktien handelt es sich um Aktien, welche einem Aktionär mehr Stimmkraft einräumen, als es seiner Kapitalbeteiligung am Grundkapital entspricht.

Nach dem Regierungsentwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes sollen Mehrstimmrechtsaktien nunmehr wieder im deutschen Aktienrecht eingeführt werden. Der Entwurf sieht vor, dass Mehrstimmrechtsaktien mit einem Stimmrecht von bis zu 10:1 möglich sein sollen.

Die Mehrstimmrechtsaktie macht die Wahl der Rechtsform der Aktiengesellschaft damit künftig noch interessanter, da Gründer den Einfluss auf das Unternehmen trotz Kapitalaufnahme bei externen Investoren bewahren können.

Einführung elektronischer Aktien

Auch bereits der im April verabschiedete Referentenentwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetz sah die Einführung der elektronischen Aktie vor. Über diese Thematik hat bereits mein Kollege Markus Joachimsthaler einen entsprechenden Artikel verfasst, auf den an dieser Stelle verwiesen wird.

Erleichterung des Zugangs zur Börse

Schließlich sollen auch die regulatorischen Anforderungen im Zusammenhang mit dem Zugang zum Kapitalmarkt vereinfacht werden. So soll die Mindestmarktkapitalisierung (voraussichtlicher Kurswert der zuzulassenden Aktien) für einen Börsengang von derzeit EUR 1,25 Mio. auf EUR 1 Mio. verringert werden. Zudem soll es möglich sein, den Antrag auf Börsenzulassung auch ohne den bislang vorgeschriebenen Emissionsbegleiter als Mitantragsteller zu stellen. Weiterhin sollen allgemein die Börsenzulassungskosten für Emittenten gesenkt werden.

Abschließende Bewertung

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz enthält einige interessante Maßnahmen, die die gewünschte Regelungswirkung erzielen könnten. Spannend wird vor allem auch sein, inwiefern der EU Listing Act die Regelungen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes für die Stärkung des Kapitalmarktstandorts Deutschland flankieren wird.

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