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Mitgliedstaaten erzielen grundsätzliche Einigung über EU-Lieferkettengesetz


Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben eine grundsätzliche Einigung über das Lieferkettengesetz der EU erzielt und streben eine stufenweise Anwendung der Richtlinie an.

Der Rat der Europäischen Union, der die EU-Mitgliedstaaten repräsentiert, hat seine Verhandlungsposition (129-seitiges PDF / 827 KB) zur Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen (Corporate Sustainability Due Diligence Directive/CSDDD) angenommen. Die Richtlinie wird auch als EU-Lieferkettengesetz bezeichnet. Sie zielt darauf ab, den Schutz der Umwelt und der Menschenrechte in der EU und darüber hinaus zu verbessern, indem sie Unternehmen innerhalb und außerhalb der EU dazu verpflichtet, ihre Lieferketten auf die Gefahr negativer Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt zu kontrollieren.

Die Regeln des EU-Lieferkettengesetzes sollen sowohl für große EU-Unternehmen als auch für Nicht-EU-Unternehmen gelten, sofern sie einen bestimmten Jahresumsatz in der EU erzielen. Ob ein EU-Unternehmen von den geplanten Vorschriften betroffen ist, hängt von der Zahl seiner Beschäftigten und seinem weltweiten Nettoumsatz ab.

Die Europäischen Kommission schlug im Februar 2022 vor, dass die CSDDD für in der EU eingetragene größere Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro gelten soll. Mittelgroße in der EU eingetragene Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen Euro sollen ebenfalls unter die Richtlinie fallen, wenn mindestens 50 Prozent dieses Umsatzes in einem „besonders sensiblen Sektor“ erzielt werden.

Ayre Laura

Laura Ayre

Partner

Man kann davon ausgehen, dass die größeren Unternehmen für kleinere Unternehmen in ihrer ‚Tätigkeitskette‘ den Weg vorgeben werden, damit sie gemeinsam auf das Ziel einer nachhaltigeren globalen Wirtschaft hinarbeiten können.

Die Kommission hatte auch vorgeschlagen, dass die Richtlinie für außerhalb der EU registrierte größere Unternehmen mit einem Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro gelten soll, sowie auch für außerhalb der EU registrierte mittlere Unternehmen mit einem Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen Euro, wenn mindestens 50 Prozent dieses Umsatzes in einem besonders sensiblen Sektor erzielt werden.

In Abkehr vom Kommissionsvorschlag haben sich die Mitgliedstaaten nun jedoch auf eine stufenweise Einführung geeinigt: Der Rat ist der Auffassung, dass die neuen Vorschriften zunächst nur für „sehr große Unternehmen“ mit mehr als 1000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von 300 Millionen Euro gelten sollen. Nicht-EU-Unternehmen müssten die neuen Vorschriften erst bei einem in der EU erwirtschafteten Nettoumsatz von mindestens 300 Millionen Euro von Anfang an einhalten. Der Rat betonte auch, dass Nicht-EU-Unternehmen keine Niederlassung in der EU haben müssen, um von den vorgeschlagenen Regeln erfasst zu werden.

Drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie sollen die Verpflichtungen dann auf alle Unternehmen ausgedehnt werden, die die von der Kommission vorgeschlagenen Kriterien erfüllen.

„Es ist zu begrüßen, dass der Rat vorschlägt, kleineren und mittleren Unternehmen mehr Zeit für die Einhaltung der neuen Vorschriften einzuräumen“, so Laura Ayre, Expertin für Handelsrecht bei Pinsent Masons. „Dennoch werden auch diese Unternehmen von den neuen Vorschriften betroffen sein, wenn sie Zulieferer von größeren Unternehmen sind, die unter die Richtlinie fallen. Man kann davon ausgehen, dass die größeren Unternehmen für kleinere Unternehmen in ihrer ‚Tätigkeitskette‘ den Weg vorgeben werden, damit sie gemeinsam auf das Ziel einer nachhaltigeren globalen Wirtschaft hinarbeiten können.“

Der Rat beabsichtigt außerdem, eine neue Bestimmung in Artikel 21 der Richtlinie einzufügen, die die Kommission dazu verpflichten würde, ein „gesichertes System für den Austausch von Informationen über den Nettoumsatz, der in der Union von Nicht-EU-Unternehmen ohne Zweigniederlassung in der EU oder mit Zweigniederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten erzielt wird, einzurichten, um den zuständigen Mitgliedstaat zu bestimmen“.

Wenn die Richtlinie wie vorgeschlagen in Kraft tritt, müssen Unternehmen, die die Schwellenwerte erreichen, die tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte und die Umwelt sowie die Auswirkungen der Unternehmen, von denen sie beliefert werden, ermitteln. Sie müssten solche Auswirkungen verhindern oder deutlich minimieren. Außerdem müssten sie die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen überwachen und öffentlich darüber berichten. Ferner müssten sie ein Beschwerdeverfahren einrichten, über das Verstöße gegen Umwelt- und Menschenrechte direkt an sie gemeldet werden können.

Eike Grunert

Dr. Eike W. Grunert

Rechtsanwalt, Partner

Die Erfahrungen mit der Umsetzung des deutschen Gesetzes zeigen, dass Unternehmen ausreichend Vorlaufzeit und Ressourcen einplanen sollten, um ein Lieferkettenmanagementsystem einzurichten, das die Anforderungen der EU-Richtlinie erfüllt. 

„Deutschland hat 2021 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet, das einen ähnlichen Anwendungsbereich hat und ebenfalls einem schrittweisen Ansatz folgt“, so Dr. Eike W. Grunert, Experte für Compliance-Management bei Pinsent Masons. „Es tritt im Jahr 2023 für Unternehmen mit deutschem Bezug und mehr als 3.000 Mitarbeitern in Kraft, für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern erst im Jahr 2024. Die Erfahrungen mit der Umsetzung des deutschen Gesetzes zeigen, dass Unternehmen ausreichend Vorlaufzeit und Ressourcen einplanen sollten, um ein Lieferkettenmanagementsystem einzurichten, das die Anforderungen der EU-Richtlinie erfüllt. Außerdem zeigt sich, wie direkt betroffene Unternehmen die Anforderungen an ihre Zulieferer weitergeben, unabhängig davon, ob diese per se in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen.“

Die Mitgliedstaaten haben sich allerdings darauf geeinigt, den Geltungsbereich der Richtlinie einzuschränken, indem sie den Begriff „Wertschöpfungskette“ im Vorschlag durch den Begriff „Tätigkeitskette“ ersetzen, der laut dem Rat „die vorgelagerten und in begrenztem Maße auch die nachgelagerten Geschäftspartner eines Unternehmens abdeckt, da er die Phase der Verwendung der Produkte des Unternehmens oder der Erbringung von Dienstleistungen ausklammert“. Um für mehr Klarheit zu sorgen, wurde in die vorgeschlagene Definition des Begriffs „Kette von Tätigkeiten“ eine Liste der Tätigkeiten der Geschäftspartner aufgenommen, die darunterfallen.

Darüber hinaus einigte sich der Rat darauf, den Finanzsektor von den meisten Vorschriften auszunehmen, so dass die Mitgliedstaaten selbst entscheiden können, ob sie den Finanzsektor bei der Umsetzung der Richtlinie einbeziehen wollen oder nicht.

Der Kommissionsvorschlag enthielt auch neue Verpflichtungen für Geschäftsführer, die dafür verantwortlich sein sollten, die Umsetzung der CSDDD in ihren Unternehmen zu gewährleisten und außerdem Menschenrechts- und Umweltrisiken bei Entscheidungen im besten Interesse des Unternehmens berücksichtigen sollten. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass die variable Vergütung von Geschäftsführern an den Beitrag eines Geschäftsführers zur Geschäftsstrategie, zu den langfristigen Interessen und zur Nachhaltigkeit des Unternehmens gekoppelt sein sollte. Aufgrund „starker Bedenken“ seitens der Mitgliedstaaten wurden diese Bestimmungen jedoch gestrichen.

Der Rat beabsichtigt ferner, Artikel 22 zu ändern, in dem die Regeln für die Haftung von Unternehmen festgelegt sind, die die CSDDD nicht einhalten. Die vier Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Unternehmen haftbar gemacht werden kann, wurden in der Verhandlungsposition des Rates präzisiert, das Element des Verschuldens wurde neu aufgenommen. Die vier Bedingungen sind: ein Schaden, der einer natürlichen oder juristischen Person zugefügt wurde; eine Pflichtverletzung; der Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und der Pflichtverletzung; und ein Verschulden – entweder vorsätzlich oder durch Fahrlässigkeit. Die Position des Rates sieht nun ausdrücklich ein Recht auf vollen Schadenersatz für Opfer von Menschenrechts- oder Umweltbeeinträchtigungen vor.

Während der Rat sich nun auf seine Verhandlungsposition geeinigt hat, diskutiert das Europäische Parlament noch seine Ausrichtung. Sobald das Europäische Parlament seine Position festgelegt hat, können der Rat, die Kommission und das Parlament mit den Verhandlungen über den endgültigen Text der CSDDD beginnen.

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