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Europäischer Gerichtshof soll Frage nach Schadensersatz bei Datenschutzverstößen klären


Wann ist ein immaterieller Schaden durch einen Datenschutzverstoß schwerwiegend genug, um einen Anspruch auf Schadensersatz zu rechtfertigen? Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll der Europäische Gerichtshof über diese Frage entscheiden.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat klargestellt, dass die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Schadensersatzanspruch nach Artitikel 82 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gewährt wird und wann ein Schaden anzunehmen ist, nur durch den Europäische Gerichtshof (EuGH) geklärt werden kann.

Mit dem erst kürzlich bekannt gewordenen Beschluss hob das BVerfG ein Urteil des Amtsgerichts Goslar aus dem Jahr 2019 auf, in dem es um den unrechtmäßigen Versand einer Werbe-Email ging. Der Empfänger hatte geklagt, da seine Email-Adresse ohne seine Einwilligung und daher im Sinne von Artikel 6 DSGVO datenschutzwidrig verwendet worden sei. Er forderte daher neben Unterlassung und Auskunft über seine gespeicherten Daten auch Schadensersatz gemäß Artikel 82 DSGVO.

Das Amtsgericht hatte geurteilt, dass dem Empfänger der Werbung bereits aufgrund fehlender Erheblichkeit kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz zustehe – es habe sich lediglich um eine einzige Werbe-Email gehandelt, die nicht zur Unzeit versandt worden sei, die aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes deutlich gezeigt habe, dass es sich um Werbung handele, und die es nicht notwendig gemacht habe, sich länger mit ihr zu befassen.

Da es sich bei der DSGVO aber um Unionsrecht handelt und es bislang noch keine Rechtsprechung des EuGH zu diesem Thema gibt, kam das BVerfG zu dem Schluss, dass die Frage danach, wann ein (immaterieller) Schaden einen Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung begründet, dem EuGH vorgelegt werden muss.

„Mittlerweile ist beinahe kein Unternehmen mehr denkbar, das keine personenbezogenen Daten verarbeitet. Dementsprechend wächst – selbst bei Vorhalten geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen – das Risiko für Datenschutzverletzungen“, so Sibylle Schumacher, Expertin für Streitbeilegungsverfahren bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „Die Möglichkeit, bei Datenpannen einen Anspruch auf materiellen oder auch immateriellen Schadensersatz geltend zu machen, kann daher für Unternehmen schnell teuer werden. Dies nicht zuletzt, weil Datenpannen häufig nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Personengruppen betreffen.“

Deutsche Gerichte waren zuletzt immer häufiger mit Schadensersatzklagen aufgrund von Datenschutzverstößen befasst. Dabei sind insbesondere Ersatzansprüche für immaterielle Schäden in den Vordergrund gerückt.

„Ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher immaterieller Schaden anzunehmen ist, ist bislang hochumstritten“, so Nadia Schaff, Expertin für Datenschutzrecht bei Pinsent Masons.  „Dies betrifft insbesondere die Frage, ob ein solcher Anspruch einer gewissen Erheblichkeit bedarf oder nicht.“

„Der EuGH wird damit einige für die Praxis sehr relevante Punkte klären. Weitere Diskussionspunkte, zum Beispiel rund um die Pflicht des Klägers nachzuweisen, dass tatsächlich ein Schaden eingetreten ist, bleiben von dem Vorabentscheidungsersuchen jedoch vollkommen unberührt. Es wird sich zeigen, wie sich die Rechtsprechung der Gerichte insofern weiterentwickelt“, so Schaff weiter.

Mit seiner Entscheidung gibt das BVerfG dem Empfänger der Werbe-Email Recht: Dieser war ebenfalls der Auffassung, dass das Amtsgericht die Frage nach der Auslegung von Artikel 82 DSGVO dem EuGH hätte vorlegen müssen. Er hatte daher zuerst Anhörungsrüge beim Amtsgericht Goslar erhoben. Als diese erfolglos blieb, erhob er Verfassungsbeschwerde beim BVerfG, das ihm in seiner Argumentation folgt:

Der „Geldentschädigungsanspruch ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weder erschöpfend geklärt noch kann er in seinen einzelnen, für die Beurteilung des im Ausgangsverfahrens vorgetragenen Sachverhalts notwendigen Voraussetzungen unmittelbar aus der DSGVO bestimmt werden“, heißt es im Urteil des BVerfG. „Von einer richtigen Anwendung des Unionsrechts, die derart offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bliebe […], konnte das Amtsgericht ebenfalls nicht ausgehen. Dies gilt umso mehr, als Artikel 82 DSGVO ausdrücklich immaterielle Schäden einbezieht.“

Das Amtsgericht muss den Fall nun erneut verhandeln und dem EuGH eine entsprechende Anfrage vorlegen.

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