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Leitentscheidungen durch den BGH: Justizministerium veröffentlicht Gesetzesentwurf


Um Gerichte zu entlasten und Verfahren zu beschleunigen, will das Bundesjustizministerium ein neues Leitentscheidungsverfahren für Massenverfahren vor dem BGH einführen.

Bei Massenverfahren handelt es sich um eine große Anzahl von Einzelklagen in identisch oder ähnlich gelagerten Fällen, beispielsweise, wenn es um möglicherweise unwirksame Klauseln in Verträgen geht, die eine große Anzahl an Verbrauchern betreffen. Die stetig steigende Zahl solcher Massenverfahren überlastet die deutsche Justiz schon seit Jahren – immer wieder wurden Rufe nach Entlastung zum Beispiel durch ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) laut. Die Idee dahinter: An einer frühzeitig ergehenden Leitentscheidung durch die höchste Instanz könnten sich die mit ähnlichen Fällen befassten Instanzgerichte orientieren, die Verfahren daher wesentlich schneller und mit weniger Aufwand abschließen. Der Weg durch mehrere Instanzen würde vermieden.

 

Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat nun einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof (13-seitiges PDF/268 KB) veröffentlicht. Laut dem Entwurf soll der BGH künftig Leitentscheidungen in Massenverfahren treffen können.

Das Prozedere soll wie folgt aussehen: Wird in einem Massenverfahren Revision eingelegt, so kann der BGH dieses Verfahren zu einem Leitentscheidungsverfahren bestimmen. Aus den bei ihm anhängigen Revisionen kann er ein geeignetes Verfahren auswählen, das ein möglichst breites Spektrum an offenen Rechtsfragen bietet und somit auf möglichst viele Parallelverfahren anwendbar ist.

Kündigt der BGH eine Leitentscheidung an, so können die Instanzgerichte die bei ihnen anhängige Parallelverfahren aussetzen, bis die BGH-Entscheidung vorliegt. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Parteien der Unterbrechung zustimmen.

Zwar entfaltet die Leitentscheidung des BGH keinerlei formale Bindungswirkung und hat auch keine Auswirkungen auf das der Leitentscheidung zugrundeliegende konkrete Revisionsverfahren. Sie soll jedoch den Instanzgerichten und der Öffentlichkeit als Richtschnur dienen und so für mehr Klarheit und Rechtssicherheit sorgen. Die Parteien hätten so auch einen stärkeren Anreiz, von Klagen abzusehen und sich außergerichtlich zu einigen.

Der Erlass einer Leitentscheidung soll sogar dann möglich sein, wenn keine Revision beim BGH mehr anhängig ist. So soll verhindert werden, dass Beklagte, die eine ungünstige Leitentscheidung durch den BGH verhindern möchten, die Revision zurücknehmen und so die Entscheidung vermeiden – ein Vorgehen, dass der Deutsche Richterbund im vergangenen Jahr in einer Stellungnahme als „Flucht in die Revisionsrücknahme“ bezeichnet hat.

Mit dem Gesetzesentwurf folgt das BMJ zahlreichen Aufrufen aus Justiz und Öffentlichkeit. Nicht zuletzt hatten auch der Deutsche Richterbund und die Justizminister der Länder wiederholt auf die Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem BGH gedrungen.

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