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Lieferkettengesetz passiert den Bundesrat


Der Bundesrat hat keine Einwände gegen das Lieferkettengesetz. Es soll große deutsche Unternehmen verpflichten zu kontrollieren, dass Menschenrechte entlang ihrer Lieferkette eingehalten werden. Mittelfristig wird das Gesetz auch auf kleine und mittlere Unternehmen durchschlagen, die Teil der Lieferketten sind, so ein Experte.

Der Bundesrat hat keine Einwände gegen das neue Sorgfaltspflichtengesetz erhoben – auch bekannt als Lieferkettengesetz. Somit hat es eine weitere Hürde im Gesetzgebungsverfahren genommen. Dies kommt Experten zufolge überraschend, da mehrere Unterausschüsse des Bundesrates nur wenige Wochen zuvor eine Empfehlung veröffentlicht hatten, wonach der Gesetzesentwurf aufgrund einiger festgestellter Mängel erheblich verschärft werden sollte.

Das neue Gesetz soll große deutsche Unternehmen verpflichten, dafür zu sorgen, dass auch ihre Zulieferer aus dem Ausland Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Es soll spätestens im September dieses Jahres verabschiedet werden und Anfang 2023 in Kraft treten.

Die Ausschüsse hatten unter Anderem vorgeschlagen, den Geltungsbereich auf alle in Deutschland tätigen Unternehmen, unabhängig von ihrer Mitarbeiterzahl, auszuweiten.  Nun wird der Bundestag weiter über das Gesetz beraten.

„Trotz vielfacher Anregungen zur weiteren Verschärfung des Lieferkettengesetzes durch die vorbereitenden Ausschüsse hat der Bundesrat keine Einwände gegen das Lieferkettengesetz erhoben. Dies lässt erkennen, dass die Regierungsparteien dieses Gesetzesvorhaben noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen wollen, und dazu die erste Lesung rasch zum Abschluss bringen“, So Dr. Eike W. Grunert, Experte für Compliance bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „Möglicherweise werden die Anregungen der Ausschüsse im späteren Verfahren wieder aufgegriffen.“

Bereits im Vorfeld hat der Gesetzesentwurf für Diskussionen in den beteiligten Ministerien, bei den Wirtschaftsverbänden und auch in der Öffentlichkeit gesorgt.

„Der Gesetzesentwurf schreibt Unternehmen mit weltweit 3.000 Mitarbeitern in der Gruppe erstmals dezidierte Compliance-Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten vor “, so Dr. Grunert. „Ab 2024 soll es bereits für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern gelten.“ Von dem anfänglichen Vorhaben, bereits Unternehmen ab einer Mitarbeiterzahl von 500 durch das neue Gesetz zu erfassen, hatten die verantwortlichen Ministerien somit Abstand genommen.

„Dennoch wird das neue Gesetz mittelfristig auf kleine und mittlere Unternehmen durchschlagen, die Teil der Lieferketten der erfassten Unternehmen sind. Denn große Unternehmen werden verpflichtet, auch ihre Zulieferer auf die Einhaltung der Standards zu verpflichten und dies regelmäßig zu kontrollieren“, so Dr. Grunert. „Das Sorgfaltspflichtengesetz zwingt betroffene Unternehmen zu erhöhten Transparenzanforderungen und Compliance-Maßnahmen bezüglich ihrer Lieferkette. In vielen Unternehmen werden diese weit über die aktuellen Standards des eigenen Supply-Chain-Managements hinausgehen.“

Das Gesetz soll Unternehmen verpflichten, die Risiken innerhalb ihrer Lieferkette in Bezug auf Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, Verstöße gegen die Vereinigungsfreiheit, problematische Anstellungs- und Arbeitsbedingungen und Umweltschädigungen zu ermitteln und zu bewerten. Auf Basis dieser Analyse sollen Maßnahmen ergriffen werden, die Menschenrechtsverletzungen in diesen Bereichen vorbeugen oder das Risiko minimieren.

Das gilt jedoch nur im eigenen Geschäftsbereich der Unternehmen und bei ihren unmittelbaren Zulieferern. Mittelbare Zulieferer sind zwar ebenfalls als Teil der Lieferkette definiert, vom umfangreichen Pflichtenkatalog aber nur dann erfasst, wenn das Unternehmen über mögliche Verletzungen Kenntnis erlangt. Die vom Sorgfaltspflichtengesetz vorgeschriebene Einrichtung eines unternehmensinternen Beschwerdeverfahrens muss daher auch Beschwerden von Mitarbeitern mittelbarer Zulieferer ermöglichen.

Zudem werden Unternehmen verpflichtet, jährlich einen Bericht über tatsächliche und mögliche negative Folgen ihrer Geschäftstätigkeit in Bezug auf Menschenrechte zu veröffentlichen.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle soll überwachen, ob die vom Gesetz erfassten Unternehmen sich an die neuen Vorschriften halten. Betroffene können sich auch direkt bei dieser Behörde über mögliche Verstöße beschweren.

Von der ursprünglichen Ankündigung, Unternehmen auch zivilrechtlich für Menschenrechtsverstöße entlang ihrer Lieferkette haften zu lassen, weicht der Gesetzesentwurf ab. Stattdessen drohen Unternehmen Geldbußen, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten nicht erfüllen. Das neue Gesetz sieht konkret Geldbußen von bis zu 800.000 Euro vor, bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen weltweiten jährlichen Konzernumsatzes von mehr als 400 Millionen Euro bis zu zwei Prozent dieses Umsatzes. Ab einer Bußgeldhöhe von 175.000 Euro könnten Unternehmen zudem für bis zu drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass Betroffene aus dem Ausland, die ihre Menschenrechte verletzt sehen, sich in Zukunft durch Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen vor deutschen Gerichten vertreten lassen können, um ihre Rechte einzuklagen.

„Dieser Umstand ist besonders brisant und steigert das Haftungsrisiko, ebenso wie die Tatsache, dass Betriebe ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einrichten müssen und sich die Höchstgrenze von Geldbußen bei Verstößen am Umsatz des Unternehmens orientieren soll“, so Dr. Jochen Pörtge, Experte für Wirtschaftsstrafrecht und Unternehmensverteidigung bei Pinsent Masons.

„Es drohen also – ähnlich wie nach der DSGVO – besonders hohe Geldbußen, die Unternehmen bei Verstößen zahlen sollen. In Kombination mit Beschwerdeverfahren oder Hinweisgebersystemen wird dies aller Voraussicht nach zu einer hohen Zahl von Verfahren und zu einem erheblichen Risiko für Unternehmen führen“, so Dr. Pörtge.

Das Gesetzesvorhaben geht auf den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) zurück. Er wurde 2016 vom Bundeskabinett beschlossen. Binnen vier Jahren sollte er dafür sorgen, dass deutsche Unternehmen sich stärker dafür einsetzen, Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferketten zu verhindern.

Um zu überprüfen, ob der NAP umgesetzt wird, wurden zwei quantitative Befragungen im Auftrag des Auswärtigen Amtes durchgeführt. Das Hauptziel des Monitorings war, festzustellen, ob und inwieweit mindestens die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland mit mehr als 500 Beschäftigten die Kernelemente der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht angemessen in ihre jeweiligen Geschäftsprozesse integriert haben. Ein erster und zweiter Zwischenbericht von Juli 2019 und Februar 2020 zeigten jedoch, dass die Mehrheit der befragten Unternehmen den NAP bis dahin aus Sicht der Bundesregierung nicht zufriedenstellend umgesetzt hatte.

 

AKTUALISIERUNG: Dieser Artikel wurde am 11. Mai 2021 aktualisiert, um Informationen zur Entscheidung des Bundesrates aufzunehmen.

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