Am 16. Dezember 2019 trat die EU-Richtlinie 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (sog. "Whistleblower-Richtlinie") vom 23. Oktober 2019 in Kraft.

Die neue Richtlinie (40 Seiten / 1,4 MB PDF) verpflichtet in der EU ansässige Unternehmen mit über 50 Beschäftigten, interne Kanäle für Meldungen von Hinweisgebern einzurichten. Sie wird auch für juristische Personen des öffentlichen Sektors wie Verwaltungen und Gemeinden gelten. Die Mitgliedstaaten haben bei der Umsetzung in nationales Recht einerseits die Möglichkeit, Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern oder juristische Personen des öffentlichen Sektors mit weniger als 50 Beschäftigten von der Pflicht zur Einrichtung solcher Meldekanäle zu befreien, können andererseits nach Durchführung einer Risikoanalyse auch Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten hierzu verpflichten.

Der Geltungsbereich umfasst Meldungen in Bezug auf Verstöße gegen EU-Recht in eine Vielzahl von Rechtsbereichen, darunter öffentliches Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Verhinderung von Geldwäsche, Lebensmittel- und Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umweltschutz, Strahlenschutz, öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Datenschutz und Datensicherheit, Wettbewerbsrecht und Umgehung von Körperschaftssteuern.

Die Mitgliedstaaten haben nun bis zum 17. Dezember 2021 Zeit, um deren Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen. Dabei können sie den Anwendungsbereich über die genannten Bereiche hinaus ausdehnen. Regelungen für Unternehmen mit 50 bis 249 Arbeitnehmern, die nach der Richtlinie befugt sein sollen, für die Entgegennahme von Meldungen und deren Untersuchung Ressourcen zu teilen, sind bis zum 17. Dezember 2023 zu erlassen.

Der Münchner Compliance-Experte Dr. Eike Grunert von Pinsent Masons, der Anwaltskanzlei hinter Out-Law: „Unternehmen und Behörden in der gesamten EU müssen Verfahren für Meldungen von Hinweisgebern einführen, um den künftigen Anforderungen gerecht zu werden. Wenn sie solche Verfahren bereits haben, z. B. als integralen Bestandteil ihres Compliance-Programms, müssen sie diese überprüfen und zur Einhaltung der künftigen Standards gegebenenfalls anpassen. Dies bringt in der Regel einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand mit sich, so dass Unternehmen im Hinblick auf die neuen Regeln frühzeitig mit ihren Planungen beginnen sollten. Schon heute ist der Umgang eines Unternehmens mit Meldungen von Hinweisgebern ein wichtiger Indikator für die Belastbarkeit und Wirksamkeit seines Compliance-Programms. Neben Meldekanälen umfasst dies ein genaues Monitoring von Meldungen, deren Dokumentation, eine finanziell wie personell angemessen ausgestattete interne Überprüfung, sowie wirksame Folgemaßnahmen, damit Meldungen zur kontinuierlichen Verbesserung des Compliance-Programms beitragen können.“

Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, sind zur Einrichtung interner Meldekanäle verpflichtet, welche insbesondere die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers gewährleistet. Über die Meldekanäle sollen Personen, die im beruflichen Kontext Informationen über Verstöße gegen Regelungen im Anwendungsbereich erlangt haben, in die Lage versetzt werden, intern Meldungen in geschützter Weise zu übermitteln. Darüber hinaus müssen die Mitgliedsstaaten Behörden für die Möglichkeit von externen geschützten Meldungen benennen und diese mit den erforderlichen Ressourcen sowie internen Prozessen ausstatten. Offenlegungen gegenüber der Presse sollen ebenfalls vom Schutzumfang erfasst sein, wenn nach einer zuvor über andere Kanäle erfolgten Meldung keine geeigneten Maßnahmen getroffen wurden oder falls „eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses" bzw. "die Gefahr eines irreparablen Schadens“ besteht.

Unternehmen und Behörden, die geschützte Meldungen über Verstöße erhalten, müssen auf solche Meldungen von Hinweisgebern reagieren, den Eingang der Meldung innerhalb von sieben Tagen bestätigen und Folgemaßnahmen treffen. Für eine Rückmeldung an den Hinweisgeber zu Folgemaßnahmen ist grundsätzlich eine Frist von drei Monaten einzuhalten. Repressalien gegen rechtskonform handelnde und gutgläubige Hinweisgeber sind verboten. Die Mitgliedstaaten sind zudem verpflichtet, Hinweisgebern Zugang zur kostenlosen Rechtsberatung (z.B. Prozesskostenhilfe) sowie angemessene Rechtsbehelfe gegen etwaige Vergeltungsmaßnahmen wie etwa Schikanen am Arbeitsplatz oder Entlassung sicherzustellen, einschließlich einstweiligem Rechtsschutz und Schadensersatz. Darüber hinaus können Hinweisgeber für die Offenlegung der fraglichen Informationen nicht haftbar gemacht werden, etwa aufgrund eines Verstoßes gegen Vertraulichkeitspflichten, Geheimnis- oder Datenschutzvorschriften.

Die Richtlinie enthält auch Schutzmaßnahmen, um Unternehmen, Einzelpersonen und sonstige Dritte vor dem Risiko bösartiger oder missbräuchlicher Meldungen und ungerechtfertigter Rufschädigung zu schützen. Hierzu gehört die Festlegung wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen von Hinweisgebern, die wissentlich falsche Informationen melden oder offenlegen. Ferner muss die Identität der von der Meldung eines Hinweisgebers betroffenen Personen für die Dauer der Meldung und die dadurch ausgelöste Untersuchung geschützt bleiben. Rechtsbehelfe einschließlich Verteidigungsrechte sind sicherzustellen und bis zum Abschluss eines fairen Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung.

Auch aus arbeitsrechtlicher Sicht wird die Umsetzung mit Spannung erwartet, gerade im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen dem „gutgläubigen“ und dem „bösgläubigen“ Hinweisgeber. Kathrin Brügger, Partnerin im Bereich Arbeitsrecht im Münchner Team von Pinsent Masons, sieht vor allem folgende Herausforderung: „Die Richtlinie sieht richtigerweise diverse Schutzmechanismen für den gutgläubigen Whistleblower vor; in der Praxis bleibt abzuwarten, wie Unternehmen auf bösgläubige und rachsüchtige Mitarbeiter reagieren werden bzw. überhaupt können. Schutz vor Sanktionen ist wichtig, Schutz vor einem etwaigen Missbrauch aber auch.“

 

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